Dienstag, 30. November 2010

Arbeitslosengeld und unbillige Härte bei geringerem Verdienst

Das Arbeitslosengeld wird regelmäßig auf der Basis des Einkommens der letzten 12 Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit berechnet. War in diesem Zeitraum das Entgelt niedriger als in dem Jahr zuvor, kann die Berechnung des Arbeuitslosengeldes auf den Niveau des letzten 12-Minate-Verdienstes gegenüber einer Berechnung unter Einbezug des früheren höheren Verdienstess zu einer unbilligen Härte führen. Die unbillige Härte hätte dann ein höheres Arbeitslosengeld zur Folge.

Das Bundessozialgericht entschied nun (PM 44/10), dass eine Differenz von bis zu 10 % bei den Jahresverdiensten keine unillige Härte begründet.

Damit kann die Streichung von Sonderzuwendungen, z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc., auch Auswirkungen auf die Höhe eines späteren Arbeitslosengeldes haben.

Berechnung des Gründungszuschusses

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 24.11.2010 ist bei der Berechnung des Gründungszuschusses das Einkommen aus einer früheren, aber zwischenzeitluich aufgegebenen - Nebentätigkeit, welches auf Arbeitslosengeld angerechnet wurde, nicht zu berücksichtigen.

Ein Leistungsempfänger begehrt für die Selbständigkeit einen Gründungszuschuß. Zuvor hat er Arbeitslosengeld erhalten unter Anrechnung von Einnahmen aus einer Nebentätigkeit, d.h. sein Arbeitslosengeld verringerte sich. Nachdem er die Nebentätigkeit einstellte und nunmehr selbständig tätig wurde, berechnet sich der Gründungszuschuß nach § § 58 SGB III nach dem ungekürzten Arbeislosengeld, mithin ohne Abzug der Einnahmen aus der früheren Nebentätigkeit.

verdeckte Ermittlungen rechtswidrig - Sozialdetektive

Das Thüringer OVG hat entschieden, dass der Einsatz von verdeckt arbeitenden Sozialdetektiven rechtswidrig ist.

Um aufzuklären, ob eine Leistungsempfängerin in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt und sich das Einkommen des Lebensgefährten anrechnen lassen müsste, setzte die Stadt Eisenach einen verdeckt arbeitenden Sozialdetektiv ein, der die Leistungsempfängerin beobachtete und deren Umfeld (Nachbarn etc.) ausfragte.

Das Thüringer OVG erteilte einem solchen Vorgehen eine Absage, weil dies das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt.

Montag, 29. November 2010

Keine Zuzahlung für Medikament

Seit 1989 werden bestimmte Arzneimittel bzw. Wirkstoffe in Gruppen zusammengefasst und Festbeträge festgesetzt. Wird einem gesetzlich Versicherten ein Medikament aus einer solchen Gruppe verordnet, ist die gesetzlichen Krankenkassen nur zur Zahlung des jeweils bestimmten Festbetrages verpflichtet. Die Differenz zum Apothekenmehrpreis musste dann der Versicherte zahlen.

Nach einer - nicht rechtskräftgen - Entscheidung des SG Aachen vom 16.11.2010 (S 13 KR 170/10) sind allerdings Fälle denkbar, in denen eine Verweisung des Versicherten auf den Festbetrag und Ablehnung der Differenzübernahme zum Verkaufspreis unzulässig ist.

Ein Mann mit Bronchialasthma vertrug nebenwirkungsfrei nur das Arzneimittel Alvesco®. Der in Alvesco® enthaltene Wirkstoff Ciclesonid war einer Festbetragsgruppe zugeordnet. Im inländischen Markt wurde dieses Arzneimittel nur zu einem erheblich über dem Festbetrag liegenden Preis angeboten, so dass der Versicherte bei jedem Kauf des verordneten Medikaments die Differenz zum Festbetrag selbst tragen musste.

Diese Zuzahlungen sind dem Kläger - so urteilten nun die Aachener Richter - nicht zuzumuten, da ihm ein Ausweichen auf andere Arzneimittel wegen Nebenwirkungen nicht möglich war.

Nebenbei äusserten die Richter auch den Verdacht, dass die Eingruppierung des Arzneimittelwirkstoffs in die betreffende Festbetragsgruppe rechtswidrig gewesensein könnte.

Nach dem Urteil des SG AAchen hat der Kläger einen Anspruch auf Versorgung mit Alvesco® zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkasse ohne Beschränkung auf den Festbetrag, da nur durch dieses Arzneimittel eine ordnungsgemäße Versorgung sichergestellt ist.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts ist die Berufung zum Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen zulässig.

Donnerstag, 25. November 2010

Schadensminderungspflicht bei Berufskrankheit

Das Sozialgericht Berlin entschied über eine Schadensminderungspflicht bei bestehender Berufskrankheit.

Wenn der Versicherte nach einer berufskrankheitsbedingten Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit in unberechtigter Weise eine von dem Unfallversicherungsträger vermittelte zweite Tätigkeit aufgibt, entfällt der Anspruch des Versicherten auf Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 BKV nicht bereits dem Grunde nach.

Der Versicherungsträger kann die unberechtigte Aufgabe der zweiten Tätigkeit jedoch als einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Versicherten in das Ermessen bezüglich der Höhe der dem Versicherten zu gewährenden Übergangsleistungen einfließen lassen.

Sozialleistungen versagt - Eilrechtsschutz gegeben

Eine Sozialbehörde hat einem Empfänger von SGB II - Leistungen, welcher als Untermieter bei seiner Freundin lebte, wegen Vermutung einer Einstandsgemeinschaft die beantragten Sozialleistungen versagt, da die Mitbewohnerin keine Unterlagen zum Antrag ausfüllte.

Der Sozialleistungsempfänger lehnte dies ab, weil er und seine Freundin die jeweiligen Rechnungen persönlich bezahlt und keiner für den anderen einstünde.

Bislang war fraglich, ob gegen die Versagung ein Eilrechtsschutz vor den Sozialgerichten möglich ist. Dies hat nun das Sozialgericht Berlin bejaht und ist zugleich auf die Prüfung einer Einstandsgemeinschaft eingegangen.

Donnerstag, 18. November 2010

Hausverbot in der ARGE

Über ein Hausverbot in der ARGE für Antragsteller musste das Sächsische LSG am 12.11.2010 (L 7 AS 593/10 B ER) entscheiden.

Hintergrund war, dass ein sichtlich verärgerter und wohl aggresiv auftretender Antragsteller den "behördlichen Ablauf" störte und Drohungen gegenüber Mitarbeitern aussprach.

Kosten einer Gemeinschaftsantenne werden nicht erstattet im Rahmen der Kosten der Unterkunft

Nach einer Entscheidung des Sächsischen LSG vom 25.10.2010 (L 7 AS 346/09) werden Kosten für eine Gemeinschaftsantenne im Rahmen der Nebenkosten und Kosten der Unterkunft bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht erstattet.

Opferentschädigung - frühzeitig Antrag stelllen!

Opfer einer Gewalttat erhalten Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Wird der Antrag nicht innerhalb eines Jahres nach der Schädigung gestellt, so werden Versorgungsleistungen allerdings erst ab dem Antragsmonat gezahlt.

Nach dieser Jahresfrist besteht ein rückwirkender Anspruch nur, wenn der Geschädigte unverschuldet an der Antragstellung verhindert war. Hiervon sei nicht auszugehen, wenn der Antrag aus Unkenntnis erst Jahre nach der Tat gestellt wird.

Dies entschied der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts am 16.11.2010.

Transparenzberichte in NRW sind zu veröffentlichen

Nach einer Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen sind auch in NRW die Transparenzberichte über Pflegeeinrichtungen zu veröffentlichen.

Das LSG hob eine anderslautende Entschewidung des SG Münster auf.

Die Rechtsansicht des LSG NRW über die Rechtmäßigkeit der Pflegebenotung teilen inzwischen eine Reihe weiterer Landessozialgericht in Deutschland (so Bayrisches LSG, Hessisches LSG, LSG Sachsen, LSG Sachsen-Anhalt). Lediglich das LSG Berlin-Brandenburg hält den Pflege-TÜV grundsätzlich für rechtswidrig.

Montag, 15. November 2010

Sofort abnehmen! - nicht unbedingt auf Krankenkassenkosten

Das SG Dortmund hat entschieden, dass Krankenkassen die Kosten einer operativen Magenbandverkleinerung für übergewichtige Versicherte nur dann tragen müssen, wenn zuvor unter ärztlicher Anleitung eine sechs- bis zwölfmonatige integrierte Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie stattgefunden hat.

Dass heisst, erst muss Geduld aufgebracht werden und eine Ernährungsumstellung durchgeführt werden, bevor ein OP bezahlt wird von der Krankenkasse.

Donnerstag, 11. November 2010

unbeaufsichtigtes Kind - haftet der Vater trotz Trennung von Mutter?

Ein Kind war kurze Zeit nicht beaufsichtigt vom Vater, welcher getrennt von der Mutter des Kindes lebte, jedoch regelmäßig Umgang mit dem Kind hatte, und stürzte in eine Regentonne. Es erlitt schwerste körperliche Beeinträchtigungen und erhält nun Sozialhilfe.

Die Sozialbehörde wollte vom Vater Geld haben, weil dieser seine Aufsichtspflicht verletzt hatte. Doch es gab für verheiratete Eltern ein Haftungsprivileg (§ 116 SGB X), wonach bei verheirateten Eltern die Haftung nicht geltend gemnacht werden kann.

Doch der Vater im vorliegenden Fall war nicht verheiratet mit der Kindesmutter. Greift das Haftungsprivilig dennoch?

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu eine Entscheidung getroffen und Voraussetzungen dafür benannt, wann bei unverheirateten bzw. getrennten Eltern die Haftungsprivilegierung besteht.

Dienstag, 9. November 2010

Kürzung des Elterngeldes wegen Mutterschaftsgeld an einem (!) Tag

Erhält eine Mutter im dritten Lebensmonat des Kindes Mutterschaftsgeld für lediglich einen Tag, reduziert dies den Anspruch des Vaters auf Elterngeld nur anteilig. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht laut Pressemeldung 20/10.

Ein Mann beantragte Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate seines Kindes. Das Landesversorgungsamt gewährte ihm Elterngeld jedoch nur für 11 Monate. Die Mutter habe im dritten Monat nach der Geburt einen Tag Mutterschaftsgeld bezogen, weil das Kind vor dem errechneten Termin zur Welt kam. Der Vater erhob Klage mit der Begründung, dass ein Tag Mutterschaftsgeld seinen Elterngeldanspruch nicht um einen ganzen Monat verkürzen könne.

Das LSG Hessen gab dem Vater Recht. Es sei zwar gesetzlich geregelt, dass Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld angerechnet wird. Nicht bestimmt habe der Gesetzgeber hingegen, wie sich diese Anrechnung auswirkt, wenn Mutterschaftsgeld nur während eines Teils des entsprechenden Lebensmonats gewährt wird. Hierzu kann es kommen, wenn die Geburt vor dem errechneten Termin liegt und der Vater unmittelbar nach der Mutterschutzzeit Elterngeld beansprucht. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz sei bei verfassungskonformer Auslegung davon auszugehen, dass der Elterngeldanspruch auch in diesen Fällen nur anteilig verbraucht wird.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da hiergegen Revision eingelegt wurde.

Donnerstag, 4. November 2010

Krankentransport eines Übergewichtigen - wer zahlt?

Ein stark Übergewichtiger (gesetzlich krankenversichert) musste mehrfach mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Wegen seines Übergewichts konnte er aber weder allein noch mit Hilfe der Sanitäter die Wohnung im ersten Stock verlassen.

Die Freiwillige Feuerwehr musste einspringen und den übergewichtigen Mann mittels Trage und Drehleiter auf die Straße und auch wieder zurück in die Wohnung verbringen.

Die Feuerwehr verlangte die Kosten vom übergewichtigen Mann. Dieser meinte, dass seine Krankenkasse dies bezahlen müsse. Die Krankenkasse jedoch wollte die Kosten des Feuerwehreinsatzes nicht übernehmen, weil es keine Fahrkosten seien.

Der Versicherte klagte gegen die Kostenablehnung erfolgreich vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, welches die Krankenkasse zur Kostenübernahme verurteilt hat. Die Richter meinten, es habe sich um notwendige Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung gehandelt. Etwas anderes gelte bei Unglücksfällen wie etwa einem Wohnungsbrand, dann bestehe die Leistungspflicht der Kommune.

Pflegeheimbenotung öffentlich

Die Benotung eines Pflegeheims darf veröffentlich werden, soweit sie auf einer neutral, objektiv und sachkundig durchgeführten Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen basiert. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.

Mittwoch, 3. November 2010

ARGE klagt erfolgreich gegen Arbeitgeber wegen Dumpinglohn

Das LAG Rostock hat entschieden, dass der klagenden ARGE (Träger der Leistungen nach dem SGB II, d.h.u.a. Zahlungen von ALG II) Zahlungsansprüche gegen einen Arbeitgeber zustehen, der Arbeitnehmern Dumpinglöhne auszahlt.

Eine Pizzeria hat ihren Arbeitnehmern Stundenlöhne zwischen 1,76 und 2,67 € bezahlt. Aufgrund des geringen Einkommens bezogen die Arbeitnehmer ergänzende Leistungen von der ARGE, nämlich ALG II als Aufstocker.

Weil die bezahlte Löhne mehr als 30 % unter den ortsüblichen Löhnen lagen, war der Lohn sittenwidrig niedrig. Dies hat zur Folge, dass nun die ARGE die Differenz zwischen den sittenwidrig niedrigen Löhnen und den ortsüblichen Löhnen vom Arbeitgeber abzüglich der Freibeträge von 100,00 € fordern darf.

Die ARGE wollte jedoch sämtliche gezahlten Aufstockungsbeträge vom Arbeitgeber fordern und überlegt nun die Einlegung einer Revision.

Arbeitnehmer müssen hinsichtlich des Freibetrages über 100,00 € selber klagen. Aufgrund der geringen Einnahmen kann hier auch Prozesskostenbeihilfe helfen.