Mittwoch, 30. November 2011

KdU-Richtlinie in Mittelsachsen unwirksam

Die Kosten einer Wohnung, welche von Sozialbehörden erstattet werden im Rahmen der Kosten der Unterkunft (= KdU) geben oft Anlass für Auseinandersetzungen - so auch in Mittelsachsen.

Dabei wurde mittels Kreistagsbeschlusses vom 9.12.2009 eine Richtlinie für Kosten der Unterkunft beschlossen, welche für Rechtsklarheit und -frieden stehen sollte.

Die Richtlinie beruht auf einer Untersuchung der Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes in Mittelsachsen im Zeitraum vom 15.3.2009 bis zum 31.7.2009 durch die Technische Universität Bergakademie Freiberg.

Das Sozialgericht Chemnitz hat nun (Urteil vom 11. Oktober 2011 – S 22 AS 6810/10) entschieden, dass die Richtlinie nicht anwendbar sei. Das Sozialgericht geht davon aus, dass die der Richtlinie zu Grunde liegende Untersuchung der TU Freiberg nicht auf valider Datenerhebung beruht, auf eine zu kurze Erhebungszeit bezogen und inzwischen veraltet ist. Zudem ist der Landkreis Mittelsachsen nach Ansicht des SG Chemnitz in weiten Teilen – aus Kostengründen – von den Ergebnissen der Studie abgewichen, was ausschlaggebend für die Nichtanwendbarkeit der Richtlinie ist.

Das Urteil des SG Chemnitz ist noch nicht rechtskräftig, da der Landkreis hiergegen Berufung eingelegt hat zum Landessozialgericht (L 2 AS 1011/11). In Zweifelsfällen sollten Betroffene anwaltlichen Rat einholen.

Dienstag, 29. November 2011

Welche Kosten trägt das Jobcenter bei Schönheitsreparaturen?

In vielen Mietverträgen finden sich Klauseln zu Schönheitsreparaturen und wer diese vorzunehmen hat. In einer beträchtlichen Vielzahl von Mietverträgen sind diese Klauseln unwirksam.

Ein Mieter wollte nun die Kosten der Vornahme der Schönheitsreparaturen von der Sozialbehörde als Kosten der Unterkunft ersetzt haben. Die Sozialbehörde lehnte ab, weil die Klausel unwirksam sei.

Das Bundessozialgericht entschied das Verfahren nicht endgültig, stellte jedoch einige Grundsätze auf.

Kosten einer Auszugsrenovierung können grundsätzlich als Kosten der Unterkunft zu übernehmen sein. Voraussetzung dafür ist die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen.

Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom Grundsicherungsträger durchzuführende Kostensenkungsverfahren. Der Träger der Grundsicherung muss seinen Rechtsstandpunkt und das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlichen, die den Leistungsempfänger in die Lage versetzt, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.

Ob das den Jobcentern immer gelingt?

Welche Freibeträge sind auf das Einkommen anzusetzen?

1. B 14 AS 201/10 R
SG Duisburg - S 27 AS 189/09

Eine nicht erwerbsfähige Bezieherin von ALG 2-Leistungen hat Einkommen erzielt. Die Sozialbehörde wollte nur einen Freibetrag von 100,00 € nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II absetzen. Die Leistungsbezieherin wollte mehr Freibeträge anerkannt haben und obsiegte vor dem Bundessozialgericht (B 14 AS 201/10 R).

Der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II steht nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu. Auf die nicht erwerbsfähige Klägerin ist jedoch § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entsprechend anzuwenden, wonach ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen ist, höchstens jedoch 50 vom Hundert des Eckregelsatzes. Die Leistungsberechtigte steht – als nicht erwerbsfähige Sozialgeldbezieherin – der vom SGB XII erfassten Personengruppe aber näher als der Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

Montag, 21. November 2011

Unfallversicherung in Arbeitspause?

... insbesondere dann nicht, wenn es sich um den Rückweg von einem in der Arbeitspause angeschautem Fussballspiel geht.

Ein angestellter Busfahrer fuhr am 24.09.2008 eine Reisegruppe zu dem Pokalspiel Bayern München gegen 1. FC Nürnberg zur Allianz Arena in München. Üblicherweise waren übriggebliebene Karten dem Busfahrer überlassen worden. Dieser hat sich somit das Fußballspiel ebenfalls angesehen und ist am 24.09.2008 gegen 22.30 Uhr beim Verlassen der Allianz Arena auf der vorletzten Stufe der sogenannten "Kaskadentreppe" ausgerutscht bzw. umgeknickt und hat sich dabei im linken Oberschenkel einen Muskelfaserriss zugezogen. Der Arbeitgeber des Klägers hat später mitgeteilt, der Kläger sei von der Firma dazu angehalten, neben der Fahrt selbst den Bus nach dem Eintreffen "auf Vordermann zu bringen" (z.B. Müll zu entsorgen). Anschließend habe der Kläger eineinhalb Stunden Pause, welche dieser in seinen Stundenzettel eintragen müsse und welche ihm auch nicht bezahlt werde. Was der Kläger in dieser Pause mache, sei allein seine Sache.

Die Berufsgenossenschaft musste nun klären, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelte. Letztlich lehnte sie dies ab. Der Busfahrer erhob Klage und verlor vor dem LSG München (Urteil vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11). Es führt u.a. aus:

"Wenn er die ihm überlassene übrig gebliebene Karte genutzt hat, um das Fußballspiel anzusehen, hat dies nicht in einem inneren Zusammenhang mit seiner eigentlichen Tätigkeit als Busfahrer gestanden. Vielmehr ist dies als Teil der Freizeitgestaltung dem unversicherten privaten Bereich zuzurechnen."

Freitag, 18. November 2011

freiwillig Krankenversicherte leiden trotz Unwirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze

Derzeit wird vor den Sozialgerichten ein Streit um die Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze der gesetzlichen Krankenkassen für freiwillig Versicherte ausgetragen. Ein Punkt ist dabei die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze.

Krankenversicherte bezweifeln dies und berufen sich auf eine Entscheidung des SG München. Sie begehren eine Zahlung der Mindestbeiträge und nicht der Höchstbeträge

Nun meint auch das Sächsische LSG, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze unwirksam sind. Aber dies führt nicht zu dem vom Krankenversicherten gewünschten Ergebnis. Vielmehr geht das LSG davon aus, dass die Höchstsätze anzusetzen sind, da den Krankenversicherten der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten sei. So heißt es auszugsweise in der Entscheidung vom 07.11.2011 (L 1 KR 173/10 B ER):

"Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind, soweit sie im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, mithin soweit darin die Bemessung der Beiträge freiwilliger Mitglieder geregelt wird, zu Unrecht durch den Vorstand des GKV-Spitzenverbandes und nicht durch dessen Verwaltungsrat erlassen worden. ... Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Ermächtigung des GKV-Spitzenverbandes zur Regelung der Bemessungsgrundlagen teilt der Senat nicht. ... Die Unwirksamkeit der Regelungen über die Bemessungsgrundlagen hat nicht zur Folge, dass freiwillige Mitglieder keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zu zahlen haben. ... Ist das freiwillige Mitglied hauptberuflich selbständig erwerbstätig, gilt von Gesetzes wegen als beitragspflichtige Einnahmen sogar kalendertäglich 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 1 SGB V). Niedrigere als die sich hieraus ergebenden Höchstbeiträge schuldet ein hauptberuflich selbständiges freiwilliges Mitglied nur dann, wenn es niedrigere Einnahmen nachweisen kann (§ 240 Abs. 4 Satz 2 Variante 2 und 3, Satz 3 und 4 SGB V). Dieser Nachweis setzt allerdings eine wirksame Regelung über die Bemessungsgrundlagen durch den dazu vom Gesetzgeber in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermächtigten GKV-Spitzenverband voraus. Denn nur wenn wirksam geregelt ist, welche Einnahmen beitragspflichtig sind, kann festgestellt werden, über welche beitragspflichtigen Einnahmen das Mitglied verfügt. Fehlt eine solche Regelung ist freiwilligen Mitgliedern, die – wie der Antragsteller – hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, der Nachweis niedrigerer Einnahmen abgeschnitten und es bleibt dabei, dass bei ihnen beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind. ..."


Damit sind hauptberuflich Selbständige mit freiwilliger Krankenversicherung bestraft, weil Sie nach dieser Entscheidung die Höchstsätze zahlen müssten, und das nur, weil die GKV keine wirksamen Beitragsverfahrensgrundsätze verabschiedet hat.

Irgendwie will nicht in meinen Kopf, dass das rechtens sein soll.