Dienstag, 29. Mai 2012

Keine Umzugskostenbeihilfe bei Umzug nach Deutschland

Eine Sozialleistungsberechtigte lebte schon längere Zeit in Deutschland bevor sie Ende 2011 auf die Insel Madeira zog, um dort eine Existenz aufzubauen. Aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen reiste sie Anfang 2012 wieder nach Deutschland ein und beantragte Arbeitslosengeld II, welches ihr auch bewilligt wurde. Sie begehrte zudem finanzielle Unterstützung für die Kosten der Überführung ihres auf Madeira verbliebenen Hab und Gutes, insbesondere von Unterlagen. Zuletzt begehrte sie die Übernahme dieser Kosten als Darlehen. Das Jobcenter lehnte dies ab, da es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe.

Das SG Mainz (Az.: S 10 AS 412/12 ER) bestätigte die Aufassung des Jobcenters.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist die für Umzugskosten von Empfängern von Arbeitslosengeld II vorgesehene Vorschrift nicht für Umzüge aus dem Ausland nach Deutschland anwendbar, da die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem nicht bezuschusst werden solle. Ein Darlehen könne ebenfalls nicht gewährt werden, da sonst die erwähnte Vorschrift zu den Umzugskosten umgangen werde. Zudem habe die Antragstellerin nicht dargetan, dass die auf Madeira verbliebenen Gegenstände und Unterlagen unentbehrlich seien. Ausweispapiere stünden der Antragstellerin noch zur Verfügung, sonstige Unterlagen könnten ersetzt werden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Münzsammmlung = verwertbares Vermögen

Der Grundsicherungsträger hatte einen Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf die Verwertbarkeit seiner Münz- und Briefmarkensammlung nicht als hilfebedürftig angesehen und Arbeitslosengeld II nur darlehensweise gewährt hat.

Die Antragsteller war der Auffassung, die Sammlung könne wegen Unwirtschaftlichkeit des Verkaufs bzw. wegen einer besonderen Härte bei einem Verkauf nicht als Vermögen berücksichtigt werden. Ein zu erwartender Verkaufserlös liege deutlich unter den Anschaffungskosten, weil bei einem Verkauf, je nach Verwertungsweg, Abschläge von 35 bis 40% hingenommen werden müssten. Der Sozialleistungsträger hat ein Sachverständigengutachten veranlasst, um den Wert der Münzsammlung zu ermitteln. Anhand vorgelegter Quittungen kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Wert der Münzsammlung auf 21.432 Euro zu schätzen sei. Er legte der Ermittlung den Ankaufswert der Münzen unter Berücksichtigung der Auktionsergebnisse aus dem Jahre 2005 zugrunde. Der Antragsteller gab die Anschaffungskosten mit 53.609,70 DM (27.410,20 Euro) an. Der Sozialleistungsträger hat nach Abzug von Freibeträgen in Höhe von insgesamt 9.750 Euro beim Antragsteller ein Vermögen in Höhe von insgesamt 12.580,92 Euro zugrunde gelegt und die Hilfdebedürftigkeit abgelehnt.

Hiergegen klagte der Antragsteller.

Das BSG hat am 23.05.2012 (Az: B 14 AS 100/11 R) die Revision des Antragsstellers zurückgewiesen und entschieden, dass der beklagte Grundsicherungsträger die Münzsammlung zu Recht als verwertbares Vermögen angesehen hat.

Der Verwertbarkeit der Münzsammlung stehe weder eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch eine besondere Härte entgegen. Das Vorliegen von offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit könne bei einer Münzsammlung nicht nach denselben Kriterien beurteilt werden, die in der Rechtsprechung für die Verwertung einer Kapitallebensversicherung entwickelt worden sind, denn es sei nach der Art der Vermögensgegenstände zu differenzieren. Eine feste Grenze der Unwirtschaftlichkeit könne bei frei handelbaren Gegenständen, die den Gesetzen des Marktes mit schwankenden Preisen unterliegen, nicht gezogen werden. Der Gesetzgeber des SGB II verfolge im Übrigen nicht das Ziel, jede vor Eintritt der Bedürftigkeit vorhandene Vermögensposition zu schützen, sondern nur einen wirtschaftlichen Ausverkauf zu verhindern. Den Feststellungen des Landessozialgerichts ließen sich auch keine Umstände entnehmen, die seine Wertung, die Pflicht zur Verwertung der Münzsammlung stelle keine besondere Härte dar, als rechtsfehlerhaft erscheinen lässt.

Dienstag, 15. Mai 2012

Leistungssport Müllentsorgung

Ein Müllwerker erlitt im Jahre 2005 während seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Die medizinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte degenerative Meniskopathie. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Erkrankung keine Unfallfolge sei. Es liege auch keine Berufskrankheit vor, da Müllwerker nicht entsprechenden Kniebelastungen ausgesetzt seien. Der seit 1993 bei einem privaten Müllentsorgungsunternehmen beschäftigte Müllwerker, klagte auf Anerkennung einer Berufskrankheit.

Die Richter des LSG Hessen (AZ: L 9 U 211/09) verurteilten die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung der Berufskrankheit. In der Pressemitteilung teilt das Gericht mit:

"Müllwerker seien bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Belastungen der Kniegelenke ausgesetzt. Dies resultiere aus der häufigen und erheblichen Bewegungsbeanspruchung insbesondere beim Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf unebenem Untergrund. Solche Belastungen mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen lägen auch bei Rangierern sowie bei Hochleistungssportlern wie Fußball-, Handball- und Basketballspielern vor, deren Meniskuserkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt würden. Die Tätigkeit eines Müllwerkers sei aufgrund der häufigen Sprungbewegungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeugs mit der eines Rangierers vergleichbar. Die schnellen und unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen seien den Bewegungsabläufen der Profiballsportler ähnlich.

Entgegen der Annahme der Berufsgenossenschaft sei die Tätigkeit von Müllwerkern auch nicht von einem kontrollierten Besteigen des Trittbretts - vergleichbar dem Benutzen einer Leiter oder Treppe - geprägt. Diese Vorstellung entspreche allenfalls den bestehenden Arbeitsschutzbedingungen, nicht aber der alltäglichen Lebenswirklichkeit von Müllwerkern.

Im Fall des klagenden Müllwerkers seien zudem die Meniskuserkrankung vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten und berufsunabhängige Risikofaktoren auszuschließen, so dass die Berufskrankheit anzuerkennen sei."


Nun denn liebe Müllwerker - Auf die Plätze fertig los! Und sich nicht von der Berufsgenossenschaft bremsen lassen.

Montag, 14. Mai 2012

ein Rechtsstreit um 3,26 €

Ein Jobcenter lud im Januar 2010 eine ALG 2 - Leistungsberechtigte zu einer persönlichen Vorsprache ein. Dafür erstattete das Jobcenter als Fahrkosten für die kürzeste Strecke von 19 km und unter Berücksichtigung der tagesaktuellen Kraftstoffpreise 5.34 €.

Dagegen wandte sich die Leistungsberechtigte. Sie habe witterungsbedingt eine um 2 km längere, aber sichere und schnellere Fahrtstrecke genommen. Die tatsächlichen Kosten lägen über den reinen Spritkosten. Schließlich hätte eine zeitaufwendige Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sogar 8,80 Euro gekostet.

Das LSG München (Az.: L 11 AS 774/10) hat der Leistungsberechtigten Recht gegeben und das Job-Center zur vollständigen Übernahme der Reisekosten nach dem Bundesreisekostengesetz i.H.v. 8,60 Euro verurteilt.

Wer zu einem Meldetermin eingeladen werde, muss dem zwingend folgen. Deshalb muss das einladende Jobcenter auch die Fahrtkosten erstatten. Die Erstattungshöhe stehe zwar im Ermessen der Behörde, das von den Gerichten grundsätzlich nur eingeschränkt geprüft werden könne. Aber jede andere Entscheidung als die vollständige Kostenübernahme sei rechtswidrig (Ermessensreduzierung auf Null - im Urteil heisst es hierzu: "Es ist bei Beziehern von Alg II regelmäßig keine andere ermessensgerechte Entscheidung denkbar, als die notwendigen Kosten der Klägerin zu übernehmen. Insofern ist im Hinblick auf die Bedürftigkeit der Klägerin die vollständige Kostenübernahme angezeigt, insbesondere auch wegen der drohenden Sanktionsfolge bei Nichtwahrnehmung des Termins. Für ein Abweichen von diesem Regelfall bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte."). Liegen nachvollziehbare Gründe vor, sei nicht die kürzeste, sondern die verkehrsgünstigste Fahrtstrecke maßgeblich. Bei Benutzung eines PKW richtet sich die Erstattungshöhe nach dem Bundesreisekostengesetz und umfasse nicht nur die Benzinkosten.

Bemerkenswert ist auch die Feststellung zu dem mit der Klage verfolgten Differenzbetrag von 3,26 €:

"Insofern handelte es sich vorliegend auch nicht um ganz geringfügige Kosten, denn die der Klägerin zustehenden Fahrtkosten iHv insgesamt 8,60 EUR stellen im Vergleich zum Tagessatz der Regelleistung im Rahmen des Alg II einen erheblichen Betrag dar."

Nutzer eines eigenen PKW sollten sich folgende Urteilsausführungen zu eigen machen:

"Nach § 5 Abs 1 Satz 2 BRKG beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges die Entschädigung 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Bei der zugrunde zu legenden Strecke ist dabei nicht zwingend auf die kürzeste Stecke abzustellen. So wird beispielsweise in § 9 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Bestimmung der Entfernung zwar grundsätzlich auf die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte abgestellt, jedoch eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt wird. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BRKG gehen in Nr 5.1.1. von der "verkehrsüblichen" Strecke aus"