Dienstag, 30. September 2014

Hartz 4 und Sparvermögen

In aller Regelmäßigkeit wenden Jobcenter die Freibetragsregelungen an, wenn bekannt wird, dass eine leistungsberechtigte Person über Vermögen verfügt. Doch selbst wenn das Vermögen den Freibetrag übersteigt, führt dies nicht unbedingt zum Wegfall des Leistungsanspruches.


Eine 48-jährige Frau lebt mit ihrer minderjährigen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft und erhält Hartz IV (ALG II = Leistungen nach dem SGB II). Für die Tochter lehnte das Jobcenter Leistungen ab, weil die Großeltern auf deren Namen Sparbücher mit einem Guthaben von insgesamt 9.682,91 Euro angelegt hatten. Die Sparbücher wurden auch von den Großeltern verwahrt. Diese waren nicht bereit, die Sparbücher zu kündigen und den angelegten Betrag an ihre Enkelin auszuzahlen.

Das Jobcenter begründete seine Ablehnung damit, das Sparvermögen liege um gut 4.000 Euro über dem gesetzlichen Freibetrag, bei einem monatlichen Anspruch der Tochter in Höhe von ca. 140 Euro sei deren Lebensunterhalt somit für Monate sichergestellt.

Das SG Gießen (S 22 AS 341/12) konnte sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Es hat daher das Jobcenter verurteilt, auch für die Tochter Leistungen zu erbringen und die entgegenstehenden Bescheide des Jobcenters aufgehoben. Nach Auffassung des Sozialgerichts ist es bei Sparbüchern oder Konten, die von Großeltern als nahe Angehörige auf den Namen eines Kindes angelegt worden seien und von ihnen nicht aus der Hand gegeben würden, so, dass sich diese auch die Verfügung über das Sparvermögen vorbehalten wollten. Das Geld könne somit gerade nicht der Tochter zugerechnet werden, diese sei hilfebedürftig.

Dienstag, 9. September 2014

was lange währt ...

Gerichtsverfahren dauern seine Zeit, erst Recht vor den Sozialgerichten. Wann liegt eine Verzögerung vor, welche zu Entschädigungsansprüchen führen kann? Hierzu hat das Bundessozialgericht nun Stellung bezogen in mehreren Verfahren und kann hier nachgelesen werden.

Montag, 8. September 2014

keine Begrenzung auf Festbetrag bei Hörgeräteversorgung

Ein Verwaltungsfachangestellter aus Nordhessen leidet an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Nach einer entsprechenden Testphase empfahl ihm der Hörgeräteakustiker ein Hörgerät für rund 4.900 Euro, mit welchem er sogar Telefongespräche führen kann, und zeigte dies der Krankenkasse an.

Diese teilte dem 51-jährigen Mann mit, dass sie den Festbetrag von rund 1.200 Euro übernehme. Der Hörgeschädigte erwarb das teure Hörgerät. Seinen Antrag auf Erstattung des Differenzbetrages von ca. 3.700 Euro lehnte die Krankenkasse ab.

Das Sozialgericht hatte die Klage des Mannes mit der Begründung abgewiesen, dass dieser bereits vor der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse das Hörgerät erworben und damit den vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.

Das LSG Darmstadt (L 8 KR 352/11) hingegen hat die Krankenkasse zur Erstattung der rund 3.700 Euro verurteilt. Nach Auffassung des Landessozialgerichts dient die Versorgung mit Hörgeräten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Insoweit gelte das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits. Die gesetzliche Krankenkasse könne sich nur dann auf eine Festbetragsregelung berufen, wenn diese eine sachgerechte Versorgung des Versicherten ermögliche. Andernfalls müsse sie die kompletten Kosten für das erforderliche Hörgerät tragen.

Die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers beinhalte einen Leistungsantrag auf bestmögliche Versorgung mit einem Hörgerät. Gewähre die Krankenkasse hierauf den Festbetrag, so lehne sie damit inzident die Kostenübernahme für eine höherwertige Hörgeräteversorgung ab. Da die Krankenkasse den Antrag habe prüfen können, sei auch der Beschaffungsweg eingehalten, wenn der Versicherte das Hörgerät kaufe, bevor die Krankenkasse die Kostenübernahme des Differenzbetrages ausdrücklich abgelehnt habe.

Zudem böten die Krankenkassen wie auch die Rentenversicherungsträger den hörgeschädigten Versicherten keinen Zugang zu unabhängigen Beratungs- und Begutachtungsstellen. Damit erhielten die Versicherten keine von Gewinnerwartungen unabhängige Untersuchung und Anpassung der in Betracht kommenden Hörgeräte. Diese Aufgabe würden sie vielmehr an die Hörgeräteakustiker "outsourcen". Daher gehe es zu Lasten der Krankenkasse, wenn sich im Gerichtsverfahren nicht mehr klären lasse, ob auch ein günstigeres Hörgerät einen möglichst weitgehenden Ausgleich der Funktionsdefizite erzielt hätte. Die Krankenkasse könne sich ferner nicht darauf berufen, dass der Hörgeräteakustiker zu einer eigenanteilsfreien Versorgung verpflichtet sei. Diese vertragliche Verpflichtung betreffe nur das Vertragsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer und habe keine Auswirkungen auf den Hilfsmittelanspruch des Versicherten.