Montag, 16. September 2013

Anforderungen an Hörgeräteversorgung durch Krankenkasse

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass gesetzlich Versicherte sich Hörgeräte unter bestimmten Voraussetzungen auch oberhalb des Festbetrages zu Lasten der Krankenkassen verschaffen können, wenn die Krankenkasse nicht die Möglichkeit wahrgenommen hat auf den Hörgeräteakustiker dergestalt einzuwirken, dass dieser dem Kläger die – den Hörverlust bestmöglich ausgleichenden – Hörgeräte zum Festbetrag zur Verfügung stellt.

Die Krankenkassen hätten für einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen, so das Landessozialgericht.

Der 1952 geborene Montagearbeiters, der unter einer angeborenen Schwerhörigkeit litt, hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörgeräteversorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörgeräteversorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörgeräteakustiker Hörgeräte. Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch 2.841,12 Euro bezahlen. Gegen die Ablehnung der Rentenversicherung klagte der Kläger vor dem SG Osnabrück, welches die Klage abwies.
Das LSG Celle-Bremen hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beigeladene Integrationsamt verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte muss der Kläger selbst tragen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts stellt die berufliche Tätigkeit des Klägers keine besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung (dann wäre die Rentenversicherung zuständig). Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungsgeräuschen eröffnet werden. Der Kläger könne in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen. Diese Festbetragsgeräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20% besseres Sprachwortverstehen. Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag über die Hörgeräteversorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwerhörigkeitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Krankenversicherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen.

Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörgeräteakustiker hinzuwirken. Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Der Kläger hätte sich auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.

Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörgeräteversorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der "erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.