Montag, 14. Mai 2012

ein Rechtsstreit um 3,26 €

Ein Jobcenter lud im Januar 2010 eine ALG 2 - Leistungsberechtigte zu einer persönlichen Vorsprache ein. Dafür erstattete das Jobcenter als Fahrkosten für die kürzeste Strecke von 19 km und unter Berücksichtigung der tagesaktuellen Kraftstoffpreise 5.34 €.

Dagegen wandte sich die Leistungsberechtigte. Sie habe witterungsbedingt eine um 2 km längere, aber sichere und schnellere Fahrtstrecke genommen. Die tatsächlichen Kosten lägen über den reinen Spritkosten. Schließlich hätte eine zeitaufwendige Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sogar 8,80 Euro gekostet.

Das LSG München (Az.: L 11 AS 774/10) hat der Leistungsberechtigten Recht gegeben und das Job-Center zur vollständigen Übernahme der Reisekosten nach dem Bundesreisekostengesetz i.H.v. 8,60 Euro verurteilt.

Wer zu einem Meldetermin eingeladen werde, muss dem zwingend folgen. Deshalb muss das einladende Jobcenter auch die Fahrtkosten erstatten. Die Erstattungshöhe stehe zwar im Ermessen der Behörde, das von den Gerichten grundsätzlich nur eingeschränkt geprüft werden könne. Aber jede andere Entscheidung als die vollständige Kostenübernahme sei rechtswidrig (Ermessensreduzierung auf Null - im Urteil heisst es hierzu: "Es ist bei Beziehern von Alg II regelmäßig keine andere ermessensgerechte Entscheidung denkbar, als die notwendigen Kosten der Klägerin zu übernehmen. Insofern ist im Hinblick auf die Bedürftigkeit der Klägerin die vollständige Kostenübernahme angezeigt, insbesondere auch wegen der drohenden Sanktionsfolge bei Nichtwahrnehmung des Termins. Für ein Abweichen von diesem Regelfall bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte."). Liegen nachvollziehbare Gründe vor, sei nicht die kürzeste, sondern die verkehrsgünstigste Fahrtstrecke maßgeblich. Bei Benutzung eines PKW richtet sich die Erstattungshöhe nach dem Bundesreisekostengesetz und umfasse nicht nur die Benzinkosten.

Bemerkenswert ist auch die Feststellung zu dem mit der Klage verfolgten Differenzbetrag von 3,26 €:

"Insofern handelte es sich vorliegend auch nicht um ganz geringfügige Kosten, denn die der Klägerin zustehenden Fahrtkosten iHv insgesamt 8,60 EUR stellen im Vergleich zum Tagessatz der Regelleistung im Rahmen des Alg II einen erheblichen Betrag dar."

Nutzer eines eigenen PKW sollten sich folgende Urteilsausführungen zu eigen machen:

"Nach § 5 Abs 1 Satz 2 BRKG beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges die Entschädigung 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Bei der zugrunde zu legenden Strecke ist dabei nicht zwingend auf die kürzeste Stecke abzustellen. So wird beispielsweise in § 9 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Bestimmung der Entfernung zwar grundsätzlich auf die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte abgestellt, jedoch eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt wird. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BRKG gehen in Nr 5.1.1. von der "verkehrsüblichen" Strecke aus"

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