Die Techniker Krankenkasse (TK) hatte im Fall einer bei ihr
Versicherten auf eine Kapitalauszahlung einer Lebensversicherung i.H.v.
23.400 Euro Krankenversicherungsbeiträge erhoben.
Zur Begründung führte
die Krankenkasse an, es handele sich um eine beitragspflichtige Leistung der
betrieblichen Altersversorgung. Gegen den Beitragsbescheid erhob die
Versicherte Klage.
Das SG Dortmund (S 3 KR 1585/13) hat den angefochtenen Beitragsbescheid in der
Fassung des Widerspruchsbescheides in Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG
aufgehoben.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat die beklagte Krankenkasse unter
Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes lediglich unterstellt, dass es
sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handelt. Es
fehle an jeglicher Ermittlung zum Berufsleben der Versicherten und zur
Ausgestaltung des Versicherungsvertrages. Da die Versicherte ein Anrecht
darauf habe, dass ein Sozialleistungsträger sämtliche gebotenen
Ermittlungen durchführe, bevor sie gerichtlichen Rechtsschutz in
Anspruch nehme, erscheine es als sachdienlich, den Beitragsbescheid
aufzuheben. Dies bedeute, dass die Rechtsgrundlage für eine
Beitragserhebung zumindest einstweilen entfallen sei und entrichtete
Beiträge der Versicherten zu erstatten sind.
Ich bin Fachanwalt für Arbeitsrecht in Chemnitz und berichte über Wissenswertes und Kurzweiliges aus dem Sozialrecht und meiner Anwaltstätigkeit
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Mittwoch, 12. Februar 2014
Mittwoch, 23. Oktober 2013
Wer zahlt das höherwertige Hörgerät?
Ein 52jähriger als Schwerbehinderter anerkannter Mann ist seit Juni
2011 als Küchenleiter in einer Kantine beschäftigt. Er leidet an einer
rechtsseitigen Taubheit und linksseitigen 30%igen Schwerhörigkeit.
Seine Krankenkasse hatte sich im Rahmen der Grundversorgung bereit erklärt, ihm Kosten für ein Hörgerät i.H.v. 553,50 Euro zu erstatten. Dieser Betrag entsprach dem zwischen der Krankenkasse und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag für ein einfaches Hörgerät, mit dem in der Regel im Alltag ein ausreichendes Hören ermöglicht wird.
Damit gab der Kläger sich nicht zufrieden und beantragte weitere Zuzahlungen über die Deutsche Rentenversicherung. Er argumentierte, seine Erwerbsfähigkeit sei gefährdet. Er habe bei einer Hörgerätefirma verschiedene Hörgeräte ausprobiert, u.a. auch ein Festbetragsgerät. Bei diesem Gerät sei es so gewesen, dass die Geräusche nicht gefiltert und z.B. das Klappern von Geschirr und Nebengeräusche für ihn unerträglich gewesen wären.
Den besten Hörerfolg habe er mit einem digitalen Hörgerät erzielt, das aber 2.990 Euro koste.
In einer Großküche in Leitungsfunktion sei es eine Grundvoraussetzung, dass man sein Umfeld wahrnehmen und z.B. die Signale von Geräten hören könne, die sich permanent durch Klingeltöne oder ähnliches meldeten, wenn die Garzeiten beendet seien. Außerdem bezog er sich auf eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, aus der hervorgeht, aufgrund der verminderten Hörfähigkeit bestünden gravierende Nachteile im Tagesgeschäft und bei der Gästebetreuung.
Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag, die Mehrkosten für das teurere Hörgerät zu übernehmen, ab. Sie begründete dies damit, ein spezieller berufsbedingter Mehrbedarf bestehe nicht, der Kläger sei auch mit einem Festbetragsgerät in der Lage, an seinem Arbeitsplatz zu kommunizieren und die angegebenen zahlreichen Töne der Geräte zu hören.
Das Sozialgericht Gießen hat der Klage stattgegeben.
Der sachverständige HNO-Arzt habe in dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten festgestellt, das Festbetragsgerät erbringe keinen ausreichenden Behinderungsausgleich. Der Kläger sei in seinem beruflichen Umfeld im besonderen Maße auf ein gutes Hörvermögen mit Richtungshören und Hören im Störfeld angewiesen, dies könne nur das teurere Hörgerät leisten. Nach Auffassung des Gerichts kommt es alleine darauf an, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Küchenleiter Situationen ausgesetzt sei, denen er ohne Verwendung von adäquaten Hörhilfen nicht mehr gewachsen sei. Ein höherwertiges Hörgerät sei immer dann notwendig, wenn – wie hier – ein Versicherter in seinem Beruf auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen sei. Dass das Gerät gleichzeitig auch verbessertes Hören im privaten Bereich ermögliche, sei daneben nicht von Bedeutung.
Seine Krankenkasse hatte sich im Rahmen der Grundversorgung bereit erklärt, ihm Kosten für ein Hörgerät i.H.v. 553,50 Euro zu erstatten. Dieser Betrag entsprach dem zwischen der Krankenkasse und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag für ein einfaches Hörgerät, mit dem in der Regel im Alltag ein ausreichendes Hören ermöglicht wird.
Damit gab der Kläger sich nicht zufrieden und beantragte weitere Zuzahlungen über die Deutsche Rentenversicherung. Er argumentierte, seine Erwerbsfähigkeit sei gefährdet. Er habe bei einer Hörgerätefirma verschiedene Hörgeräte ausprobiert, u.a. auch ein Festbetragsgerät. Bei diesem Gerät sei es so gewesen, dass die Geräusche nicht gefiltert und z.B. das Klappern von Geschirr und Nebengeräusche für ihn unerträglich gewesen wären.
Den besten Hörerfolg habe er mit einem digitalen Hörgerät erzielt, das aber 2.990 Euro koste.
In einer Großküche in Leitungsfunktion sei es eine Grundvoraussetzung, dass man sein Umfeld wahrnehmen und z.B. die Signale von Geräten hören könne, die sich permanent durch Klingeltöne oder ähnliches meldeten, wenn die Garzeiten beendet seien. Außerdem bezog er sich auf eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, aus der hervorgeht, aufgrund der verminderten Hörfähigkeit bestünden gravierende Nachteile im Tagesgeschäft und bei der Gästebetreuung.
Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag, die Mehrkosten für das teurere Hörgerät zu übernehmen, ab. Sie begründete dies damit, ein spezieller berufsbedingter Mehrbedarf bestehe nicht, der Kläger sei auch mit einem Festbetragsgerät in der Lage, an seinem Arbeitsplatz zu kommunizieren und die angegebenen zahlreichen Töne der Geräte zu hören.
Das Sozialgericht Gießen hat der Klage stattgegeben.
Der sachverständige HNO-Arzt habe in dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten festgestellt, das Festbetragsgerät erbringe keinen ausreichenden Behinderungsausgleich. Der Kläger sei in seinem beruflichen Umfeld im besonderen Maße auf ein gutes Hörvermögen mit Richtungshören und Hören im Störfeld angewiesen, dies könne nur das teurere Hörgerät leisten. Nach Auffassung des Gerichts kommt es alleine darauf an, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Küchenleiter Situationen ausgesetzt sei, denen er ohne Verwendung von adäquaten Hörhilfen nicht mehr gewachsen sei. Ein höherwertiges Hörgerät sei immer dann notwendig, wenn – wie hier – ein Versicherter in seinem Beruf auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen sei. Dass das Gerät gleichzeitig auch verbessertes Hören im privaten Bereich ermögliche, sei daneben nicht von Bedeutung.
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Montag, 16. September 2013
Anforderungen an Hörgeräteversorgung durch Krankenkasse
Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass gesetzlich Versicherte
sich Hörgeräte unter bestimmten Voraussetzungen auch oberhalb des
Festbetrages zu Lasten der Krankenkassen verschaffen können, wenn die
Krankenkasse nicht die Möglichkeit wahrgenommen hat auf den
Hörgeräteakustiker dergestalt einzuwirken, dass dieser dem Kläger die –
den Hörverlust bestmöglich ausgleichenden – Hörgeräte zum Festbetrag zur
Verfügung stellt.
Die Krankenkassen hätten für einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen, so das Landessozialgericht.
Der 1952 geborene Montagearbeiters, der unter einer angeborenen Schwerhörigkeit litt, hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörgeräteversorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörgeräteversorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörgeräteakustiker Hörgeräte. Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch 2.841,12 Euro bezahlen. Gegen die Ablehnung der Rentenversicherung klagte der Kläger vor dem SG Osnabrück, welches die Klage abwies.
Das LSG Celle-Bremen hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beigeladene Integrationsamt verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte muss der Kläger selbst tragen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts stellt die berufliche Tätigkeit des Klägers keine besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung (dann wäre die Rentenversicherung zuständig). Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungsgeräuschen eröffnet werden. Der Kläger könne in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen. Diese Festbetragsgeräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20% besseres Sprachwortverstehen. Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag über die Hörgeräteversorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwerhörigkeitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Krankenversicherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen.
Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörgeräteakustiker hinzuwirken. Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Der Kläger hätte sich auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.
Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörgeräteversorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der "erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.
Die Krankenkassen hätten für einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörungen ihrer Versicherten Sorge zu tragen, so das Landessozialgericht.
Der 1952 geborene Montagearbeiters, der unter einer angeborenen Schwerhörigkeit litt, hatte bei dem Integrationsamt einen Kostenzuschuss für eine Hörgeräteversorgung beantragt, da seine bisher getragenen Hörgeräte so verschlissen seien, dass die anfallenden Reparaturkosten den Wert der Geräte überstiegen. Das Integrationsamt leitete den Antrag nach acht Wochen an die Rentenversicherung weiter. Diese lehnte die Kostenübernahme ab, da der Kläger nicht aus beruflichen Gründen eine besondere Hörgeräteversorgung benötige. Daraufhin erwarb der Kläger bei einem Hörgeräteakustiker Hörgeräte. Nach Abzug des von seiner Krankenkasse getragenen Kassenanteils musste der Kläger noch 2.841,12 Euro bezahlen. Gegen die Ablehnung der Rentenversicherung klagte der Kläger vor dem SG Osnabrück, welches die Klage abwies.
Das LSG Celle-Bremen hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beigeladene Integrationsamt verurteilt, dem Kläger die für die selbstbeschafften Hörgeräte entstandenen Kosten zu tragen. Nur einen Eigenanteil von 20 Euro für beide Hörgeräte muss der Kläger selbst tragen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts stellt die berufliche Tätigkeit des Klägers keine besonderen Anforderungen an die Hörgeräteversorgung (dann wäre die Rentenversicherung zuständig). Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Krankenkassen für einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich zuständig. Den Hörbehinderten müsse im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und Umgebungsgeräuschen eröffnet werden. Der Kläger könne in dem vorliegenden Fall aber nicht darauf verwiesen werden, sich Hörgeräte zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag zu beschaffen. Diese Festbetragsgeräte seien im Falle des Klägers nicht geeignet einen bestmöglichen Ausgleich der Hörstörung herzustellen, denn mit den vom Kläger tatsächlich erworbenen Geräten habe er ein um 20% besseres Sprachwortverstehen. Nach dem zwischen den Krankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag über die Hörgeräteversorgung seien Akustiker verpflichtet, Versicherte aller Schwerhörigkeitsgrade ohne Mehrkosten für den Träger der Krankenversicherung mit solchen Hörgeräten zu versorgen, die den Hörverlust angemessen ausgleichen.
Die im Rechtsstreit beigeladene Krankenkasse des Klägers hätte danach die Möglichkeit gehabt, auf eine im Rahmen des Festbetrages erfolgende Versorgung des Klägers durch den Hörgeräteakustiker hinzuwirken. Jedenfalls hätte sie den Kläger auf etwa drohende Probleme bei der Versorgung hinweisen müssen. Der Kläger hätte sich auch nicht bei anderen Akustikern erkundigen müssen, ob diese angemessene Hörgeräte zum Festpreis anbieten, da er die Hörgeräte aufgrund des Verschleißes der alten Geräte zeitnah benötigte.
Eigentlich sei die Krankenkasse im Fall des Klägers für die Hörgeräteversorgung zuständig. Aber das Integrationsamt sei der Träger, der vom Kläger zuerst in Anspruch genommen worden sei. Der "erstangegangene" Träger müsse den Antrag entweder innerhalb von zwei Wochen an den seiner Meinung nach zuständigen Leistungsträger weiterleiten oder die Kostenübernahme unter allen rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen und bei Bestehen eines Anspruches die Leistung erbringen.
Montag, 15. August 2011
Systemversagen
Viele Menschen halten den Aufbau des deutschen Krankenversicherungssystems für fehlerhaft. Aber das ein Gericht ein Systemversagen bestätigt ist eher selten.
Das Hessische LSG hat - laut Pressemitteilung vom 15.08.2011 - ein solches Systemversagen festgestellt.
Eine an metastasiertem Darmkrebs leidende Frau wurde im Jahr 2005 von ihrem Hausarzt zur Chemo-Embolisation in eine Universitätsklinik überwiesen. Den dort im Zentrum der Radiologie damals tätigen Professor V. hatte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zur ambulanten Behandlung mit diesem in der palliativen Krebstherapie eingesetzten Verfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ermächtigt. Trotz des Überweisungsscheins ließ der Arzt die erkrankte Frau ein Formular für private Behandlungen unterzeichnen und stellte ihr die Kosten für ambulant durchgeführte Chemo-Embolisationen in Rechnung. Tatsächlich hatte er die Versicherte jedoch mit dem Verfahren der transarteriellen Chemo-Perfusion behandelt.
Die von der Versicherten beantragte Kostenerstattung lehnte die Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die Chemo-Perfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt sei.
Das Sozialgericht wies die Klage der im März 2008 verstorbenen Frau zurück. Die Chemo-Perfusion sei eine neue Behandlungsmethode, die nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Hiergegen legte der Ehemann der Verstorbenen Berufung ein.
Das Hessische LSG verurteilte nun die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für die vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten durchgeführten Behandlungen in Höhe von rund 18.700,- €. Die Versicherte habe sich nicht bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenkassen begeben. Denn ihr sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass Professor V. Chemo-Perfusion anstelle der verordneten und in Rechnung gestellten Chemo-Embolisation durchführe. Im Hinblick auf den für sie wahrnehmbaren Behandlungsablauf habe sie hiervon auch nicht ausgehen müssen. Da die von ihr unterzeichneten Vordrucke keine konkret durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen auswiesen, habe sie ferner nicht annehmen müssen, dass die Behandlungen nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gehörten. Die von Professor V. unter Druck gesetzte schwer erkrankte Versicherte habe vielmehr davon ausgehen können, dass hiermit lediglich die Vergütung der Chefarztleistungen abgesichert werden sollte, im Übrigen aber die Krankenkasse die Behandlung zahle.
Damit liege ein sogenanntes Systemversagen vor, welches ein Akteur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst habe. In diesem Fall sei es nicht sachgerecht, den Versicherten auf seinen gegenüber dem Arzt bestehenden Rückforderungsanspruch wegen unwirksamer Vergütungsvereinbarung zu verweisen, den er gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geltend machen müsse.
Die Darmstädter Richter entschieden jedoch auch, dass mit der Kenntnis der Versicherten vom ablehnenden Bescheid der Krankenkassen ein Systemversagen nicht mehr vorliege. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Versicherten bekannt, dass Professor V. sie mit der - nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gehörenden - Chemo-Perfusion behandle. Die nach diesem Zeitraum angefallenen Kosten in Höhe von rund 50.000,- € seien daher von der Krankenkasse nicht zu erstatten.
Fazit des Gerichts: Geht ein Versicherter aufgrund unzureichender Aufklärung eines Vertragsarztes davon aus, er erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein sogenanntes Systemversagen vor. In diesem Fall muss die Krankenkasse die Behandlungskosten auch dann übernehmen, wenn der Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag mit dem Arzt unterzeichnet hat
Das Hessische LSG hat - laut Pressemitteilung vom 15.08.2011 - ein solches Systemversagen festgestellt.
Eine an metastasiertem Darmkrebs leidende Frau wurde im Jahr 2005 von ihrem Hausarzt zur Chemo-Embolisation in eine Universitätsklinik überwiesen. Den dort im Zentrum der Radiologie damals tätigen Professor V. hatte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zur ambulanten Behandlung mit diesem in der palliativen Krebstherapie eingesetzten Verfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ermächtigt. Trotz des Überweisungsscheins ließ der Arzt die erkrankte Frau ein Formular für private Behandlungen unterzeichnen und stellte ihr die Kosten für ambulant durchgeführte Chemo-Embolisationen in Rechnung. Tatsächlich hatte er die Versicherte jedoch mit dem Verfahren der transarteriellen Chemo-Perfusion behandelt.
Die von der Versicherten beantragte Kostenerstattung lehnte die Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die Chemo-Perfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt sei.
Das Sozialgericht wies die Klage der im März 2008 verstorbenen Frau zurück. Die Chemo-Perfusion sei eine neue Behandlungsmethode, die nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Hiergegen legte der Ehemann der Verstorbenen Berufung ein.
Das Hessische LSG verurteilte nun die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für die vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten durchgeführten Behandlungen in Höhe von rund 18.700,- €. Die Versicherte habe sich nicht bewusst außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenkassen begeben. Denn ihr sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass Professor V. Chemo-Perfusion anstelle der verordneten und in Rechnung gestellten Chemo-Embolisation durchführe. Im Hinblick auf den für sie wahrnehmbaren Behandlungsablauf habe sie hiervon auch nicht ausgehen müssen. Da die von ihr unterzeichneten Vordrucke keine konkret durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen auswiesen, habe sie ferner nicht annehmen müssen, dass die Behandlungen nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen gehörten. Die von Professor V. unter Druck gesetzte schwer erkrankte Versicherte habe vielmehr davon ausgehen können, dass hiermit lediglich die Vergütung der Chefarztleistungen abgesichert werden sollte, im Übrigen aber die Krankenkasse die Behandlung zahle.
Damit liege ein sogenanntes Systemversagen vor, welches ein Akteur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst habe. In diesem Fall sei es nicht sachgerecht, den Versicherten auf seinen gegenüber dem Arzt bestehenden Rückforderungsanspruch wegen unwirksamer Vergütungsvereinbarung zu verweisen, den er gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geltend machen müsse.
Die Darmstädter Richter entschieden jedoch auch, dass mit der Kenntnis der Versicherten vom ablehnenden Bescheid der Krankenkassen ein Systemversagen nicht mehr vorliege. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Versicherten bekannt, dass Professor V. sie mit der - nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse gehörenden - Chemo-Perfusion behandle. Die nach diesem Zeitraum angefallenen Kosten in Höhe von rund 50.000,- € seien daher von der Krankenkasse nicht zu erstatten.
Fazit des Gerichts: Geht ein Versicherter aufgrund unzureichender Aufklärung eines Vertragsarztes davon aus, er erhalte eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein sogenanntes Systemversagen vor. In diesem Fall muss die Krankenkasse die Behandlungskosten auch dann übernehmen, wenn der Versicherte einen Privatbehandlungsvertrag mit dem Arzt unterzeichnet hat
Dienstag, 12. Juli 2011
Welche Folgen hat ein Scheinvertrag
Welche Folgen ein nur zum Schein abgeschlossener Arbeitsvertrag haben kann erläutert der Eintrag auf arbeitsrecht-chemnitz.
Donnerstag, 31. März 2011
freiwillige Krankenversicherung - Auswirkung einer fehlenden Beratung durch die Krankenkasse
Wenn eine Krankenkasse pflichtwidrig nicht über die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und die dafür geltende dreimonatige Ausschlussfrist berät, ist der Betroffene bei einer späteren Anzeige des Beitritts im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er die Frist gewahrt. Dies hat das Landessozialgericht in Mainz (03.03.2011, Aktenzeichen: L 5 KR 108/10)entschieden.
In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es weiter:
Der Krankenkasse war durch eine Mitteilung des Sozialhilfeträgers der Bezug von Sozialhilfe durch den Betroffenen bekannt und auch die Bereitschaft dieses Trägers, die Kosten für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Damit trat ein Beratungsbedarf objektiv klar zutage, da anzunehmen war, dass der Hilfebedürftige von der Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung Gebrauch machen würde. Weil ihm durch die Versäumung der Ausschlussfrist ein Nachteil entstanden war, musste er durch den richterrechtlich vom Bundessozialgericht entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Beitritt fristgerecht angezeigt.
In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es weiter:
Der Krankenkasse war durch eine Mitteilung des Sozialhilfeträgers der Bezug von Sozialhilfe durch den Betroffenen bekannt und auch die Bereitschaft dieses Trägers, die Kosten für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Damit trat ein Beratungsbedarf objektiv klar zutage, da anzunehmen war, dass der Hilfebedürftige von der Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung Gebrauch machen würde. Weil ihm durch die Versäumung der Ausschlussfrist ein Nachteil entstanden war, musste er durch den richterrechtlich vom Bundessozialgericht entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Beitritt fristgerecht angezeigt.
Samstag, 18. Dezember 2010
Unfall auf Weihnachtsfeier - wer zahlt?
Erleidet ein Arbeitnehmer auf einer betrieblichen Weihnachsfeier in einem "Bowlingcenter" (ein Zentrum für eine spezielle Variante des Kegelns)einen Sturz mit Beinbruch handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Vielleicht sah es so ähnlich aus:
Die Behandlungskosten trägt wegen der Qualifizierung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht die Krankenkasse, sondern die zuständige Berufsgenossenschaft. Dies bestätigt eine Entscheidung des SG Berlin vom 16.12.2010.
Die Behandlungskosten trägt wegen der Qualifizierung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht die Krankenkasse, sondern die zuständige Berufsgenossenschaft. Dies bestätigt eine Entscheidung des SG Berlin vom 16.12.2010.
Montag, 15. November 2010
Sofort abnehmen! - nicht unbedingt auf Krankenkassenkosten
Das SG Dortmund hat entschieden, dass Krankenkassen die Kosten einer operativen Magenbandverkleinerung für übergewichtige Versicherte nur dann tragen müssen, wenn zuvor unter ärztlicher Anleitung eine sechs- bis zwölfmonatige integrierte Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie stattgefunden hat.
Dass heisst, erst muss Geduld aufgebracht werden und eine Ernährungsumstellung durchgeführt werden, bevor ein OP bezahlt wird von der Krankenkasse.
Dass heisst, erst muss Geduld aufgebracht werden und eine Ernährungsumstellung durchgeführt werden, bevor ein OP bezahlt wird von der Krankenkasse.
Donnerstag, 4. November 2010
Krankentransport eines Übergewichtigen - wer zahlt?
Ein stark Übergewichtiger (gesetzlich krankenversichert) musste mehrfach mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Wegen seines Übergewichts konnte er aber weder allein noch mit Hilfe der Sanitäter die Wohnung im ersten Stock verlassen.
Die Freiwillige Feuerwehr musste einspringen und den übergewichtigen Mann mittels Trage und Drehleiter auf die Straße und auch wieder zurück in die Wohnung verbringen.
Die Feuerwehr verlangte die Kosten vom übergewichtigen Mann. Dieser meinte, dass seine Krankenkasse dies bezahlen müsse. Die Krankenkasse jedoch wollte die Kosten des Feuerwehreinsatzes nicht übernehmen, weil es keine Fahrkosten seien.
Der Versicherte klagte gegen die Kostenablehnung erfolgreich vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, welches die Krankenkasse zur Kostenübernahme verurteilt hat. Die Richter meinten, es habe sich um notwendige Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung gehandelt. Etwas anderes gelte bei Unglücksfällen wie etwa einem Wohnungsbrand, dann bestehe die Leistungspflicht der Kommune.
Die Freiwillige Feuerwehr musste einspringen und den übergewichtigen Mann mittels Trage und Drehleiter auf die Straße und auch wieder zurück in die Wohnung verbringen.
Die Feuerwehr verlangte die Kosten vom übergewichtigen Mann. Dieser meinte, dass seine Krankenkasse dies bezahlen müsse. Die Krankenkasse jedoch wollte die Kosten des Feuerwehreinsatzes nicht übernehmen, weil es keine Fahrkosten seien.
Der Versicherte klagte gegen die Kostenablehnung erfolgreich vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, welches die Krankenkasse zur Kostenübernahme verurteilt hat. Die Richter meinten, es habe sich um notwendige Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung gehandelt. Etwas anderes gelte bei Unglücksfällen wie etwa einem Wohnungsbrand, dann bestehe die Leistungspflicht der Kommune.
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