Wer tätig ist "baut" manchmal Unfälle. Geschieht dies in Verrichtung einer Arbeit liegt regelmäßig ein Arbeitsunfall vor. Ist von einem Arbeitsunfall auszugehen, wenn ein Mann sich einer Neckerei (Wasserspritzer aus Gummispritztier) mit einem beherzten Sprung aus dem Fenster entzieht und sich dabei verletzt?
Ein 27-jähriger Mann befand sich im Rahmen einer beruflichen
Umschulungsmaßnahme im 1. OG des Unterrichtsgebäudes. Während einer
nicht beaufsichtigten Unterrichtszeit versuchte eine Mitschülerin ihn
mit einem Gummispritztier nass zu spritzen. Der Mann stand direkt an dem
Fenster und versuchte, sich dem Wasserstrahl zu entziehen, indem er
über die Fensterbrüstung sprang. Hierdurch gelangte er auf ein vor dem
Fenster befindliches Welldach, durch welches er hindurchstürzte. Dabei
verletzte er sich an Fuß und Wirbelsäule.
Die Berufsgenossenschaft
lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Der Mann sei im Rahmen
einer Rangelei bzw. Neckerei aus dem Fenster gesprungen. Eine
betriebsdienliche Tätigkeit liege nicht vor.
Der verletzte Mann führte
hingegen an, dass er sich an der Rangelei nicht beteiligt habe. Beim
Ausweichen habe er sich so unglücklich bewegt, dass er aus dem Fenster
gefallen sei.
Das LSG Darmstadt (L 3 U 47/13) hat die Entscheidung der Berufsgenossenschaft bestätigt.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts liegt ein Arbeitsunfall
nur dann vor, wenn die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls
der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Höchstpersönliche
Verrichtungen seien hingegen in der Regel nicht gesetzlich
unfallversichert. Hierzu gehörten auch Neckereien und Spielereien, die
grundsätzlich als ein den Interessen des Betriebes zuwiderlaufendes
Verhalten anzusehen seien. Anders sei dies lediglich bei Schülern und
pubertierenden Jugendlichen. Insoweit seien die Gefahren zu
berücksichtigen, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder aus
dem typischen Gruppenverhalten innerhalb des organisatorischen
Verantwortungsbereichs der Schule ergeben würden. Der zum
Unfallzeitpunkt 27-jährige Umschüler sei jedoch nicht anders zu
beurteilen als ein 27-jähriger Beschäftigter in einem Großraumbüro.
Zudem sei keineswegs von einem Sturz, sondern vielmehr von einem
gezielten Sprung aus dem Fenster auszugehen. Dies ergebe sich aus dem
Geschehensablauf sowie den Angaben des Verletzten und dessen
Mitschülerinnen.
Anwalt Sozialrecht Chemnitz
Ich bin Fachanwalt für Arbeitsrecht in Chemnitz und berichte über Wissenswertes und Kurzweiliges aus dem Sozialrecht und meiner Anwaltstätigkeit
Mittwoch, 8. Juli 2015
Dienstag, 3. März 2015
Unfall bei Vorstellungsgespräch
Ein Empfänger von Arbeitslosengeld erhielt von Seiten der Agentur für Arbeit im Mai 2012 die Aufforderung, sich umgehend schriftlich oder per E-Mail bei einem Unternehmen
als Bauhelfer zu bewerben. Wenige Tage nach dieser Aufforderung fuhr er
von seiner Wohnung mit dem Fahrrad zu diesem Unternehmen, um dort
ein Vorstellungsgespräch zu führen. Auf dem Rückweg stieß er mit einem
PKW zusammen und zog sich schwerste Hirnverletzungen zu.
Er begehrte die Feststellung, dass der Unfall ein Arbeitsunfall ist und deshalb die gesetzliche Unfalversicherung die Leistung zu tragen hat. Der beklagte Unfallversicherungsträger verweigerte dies allerdings und stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Unfallversicherungsschutz ausscheide, weil die Agentur für Arbeit den Arbeitslosen nur aufgefordert habe, sich schriftlich zu bewerben, nicht aber ein Vorstellungsgespräch zu führen.
Das SG Konstanz stellte nun in seiner Entscheidung fest, dass es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Als der Kläger bei dem Unfall verletzt wurde, war er nach den Vorschriften des SGB VII versichert. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB II und des SGB III der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Eine solche Aufforderung müsse im Zusammenhang mit den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit stehen und es müsse sich auch um eine konkrete Willensäußerung handeln, die erkennen lasse, dass die Arbeitsverwaltung ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitslosen erwarte. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG sei Maßstab der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten. Hierbei war auch das dem Kläger ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose zu berücksichtigen, in dem darauf hingewiesen wurde, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn der Arbeitslose eine von der Agentur für Arbeit angebotene Arbeit ablehnt oder nicht antritt oder sein Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt.
Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger die Aufforderung der Agentur für Arbeit dahingehend verstehen, dass diese Aufforderung nicht nur die Bewerbung, sondern auch das darauf folgende Vorstellungsgespräch umfasste. Dem Inhalt des Aufforderungsschreibens durfte der Kläger also entnehmen, dass die Agentur für Arbeit von ihm erwarte, dass er einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, die auf die Bewerbung erfolgen könnte, auch Folge leiste.
Er begehrte die Feststellung, dass der Unfall ein Arbeitsunfall ist und deshalb die gesetzliche Unfalversicherung die Leistung zu tragen hat. Der beklagte Unfallversicherungsträger verweigerte dies allerdings und stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Unfallversicherungsschutz ausscheide, weil die Agentur für Arbeit den Arbeitslosen nur aufgefordert habe, sich schriftlich zu bewerben, nicht aber ein Vorstellungsgespräch zu führen.
Das SG Konstanz stellte nun in seiner Entscheidung fest, dass es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Als der Kläger bei dem Unfall verletzt wurde, war er nach den Vorschriften des SGB VII versichert. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB II und des SGB III der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Eine solche Aufforderung müsse im Zusammenhang mit den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit stehen und es müsse sich auch um eine konkrete Willensäußerung handeln, die erkennen lasse, dass die Arbeitsverwaltung ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitslosen erwarte. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG sei Maßstab der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten. Hierbei war auch das dem Kläger ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose zu berücksichtigen, in dem darauf hingewiesen wurde, dass eine Sperrzeit eintrete, wenn der Arbeitslose eine von der Agentur für Arbeit angebotene Arbeit ablehnt oder nicht antritt oder sein Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt.
Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger die Aufforderung der Agentur für Arbeit dahingehend verstehen, dass diese Aufforderung nicht nur die Bewerbung, sondern auch das darauf folgende Vorstellungsgespräch umfasste. Dem Inhalt des Aufforderungsschreibens durfte der Kläger also entnehmen, dass die Agentur für Arbeit von ihm erwarte, dass er einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, die auf die Bewerbung erfolgen könnte, auch Folge leiste.
Freitag, 20. Februar 2015
Das Sächsische Landesssozialgericht ist umgezogen - wird alles besser?
Sachsen ist so ziemlich das Schlußlicht in der Bundesrepublik, was die Verfahrensdauer vor den Sozialgerichten angeht - so meldet es die freiepresse.de.
Mit dem Umzug des Sächsischen Landessozialgerichtes in die
Kauffahrtei 25
09120 Chemnitz
soll es nun besser werden.
Nicht nur, dass schon 2014 Rückgänge in der Anzahl neuer Verfahren zu verzeichnen waren (in der Berufungsinstanz betrug der Rückgang 14 Prozent), sondern es soll auch ein neuer, der 9. Senat entstehen. Es wird gehofft, dass dann 36 Richter tätig sein können und die Anzahl der unerledigten Fälle (welche in 2014 von 4740 auf 5090 stiegen) dann abgebaut werden können.
Ob sich an der Erfolgsquote für Berufungsführer (derzeit ca. 6 %) etwas ändert, bleibt unklar.
Mit dem Umzug des Sächsischen Landessozialgerichtes in die
Kauffahrtei 25
09120 Chemnitz
soll es nun besser werden.
Nicht nur, dass schon 2014 Rückgänge in der Anzahl neuer Verfahren zu verzeichnen waren (in der Berufungsinstanz betrug der Rückgang 14 Prozent), sondern es soll auch ein neuer, der 9. Senat entstehen. Es wird gehofft, dass dann 36 Richter tätig sein können und die Anzahl der unerledigten Fälle (welche in 2014 von 4740 auf 5090 stiegen) dann abgebaut werden können.
Ob sich an der Erfolgsquote für Berufungsführer (derzeit ca. 6 %) etwas ändert, bleibt unklar.
Montag, 19. Januar 2015
Kein Schmerzensgeld für Unfall im Chemieunterricht
Wenn es kracht und knallt und pufft, ist es der Chemie-Unterricht. Das nicht immer allles unfallfrei abläuft ist dabei sehr bedauerlich.
Am 28.09.2012 war es im Chemie-Unterricht einer sechsten Klasse einer Schule zur Entzündung einer Flasche mit Brennspiritus gekommen. Die Klasse hatte unter Aufsicht einer Lehrerin verschiedene Versuche zum Thema "Verbrennung" durchgeführt, bei denen Spiritus in kleinen Versuchsschälchen entzündet wurde. Als die Lehrkraft ein vermeintlich leeres Porzellanschälchen aus einer Spiritus-Flasche nachfüllen wollte, soll sich der Spiritus in der Flasche entzündet haben und soll die Flasche mit einer Stichflamme durch den Raum geflogen sein. Dabei soll ein Schüler Verbrennungen 2. Grades im Gesicht und am Oberkörper erlitten haben.
Dieser Schüler verlangt nunmehr die Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld. Das beklagte Land als Schulträger hält die Klage für unbegründet. Die Haftung für derartige Unfälle im Schulbetrieb sei in speziellen Vorschriften des Sozialgesetzbuches geregelt, nach denen der Schüler Schadensersatz erhalten könne. Die Zahlung eines zusätzlichen Schmerzensgeldes sei nach diesen Vorschriften aber grundsätzlich ausgeschlossen und komme nur dann in Betracht, wenn der streitgegenständliche Unfall vorsätzlich (und nicht bloß fahrlässig) herbeigeführt worden wäre. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Das LG Osnabrück hat die Klage nach insgesamt drei Terminen zur Beweisaufnahme, in denen insbesondere die Lehrerin und die beteiligten Schüler zum Ablauf des Unfalls befragt wurden, abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts ist für die Folgen eines solchen Schulunfalls nach den sozialrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur die zuständige Unfallversicherung eintrittspflichtig, womit eine gesetzlich angeordnete Haftungsprivilegierung des Schulträgers verbunden sei. Mithin seien weitergehende Ansprüche wie Schmerzensgeldansprüche bei einer lediglich fahrlässigen Handlungsweise gesetzlich ausgeschlossen. Dass der Lehrerin im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Handlungsweise anzulasten sei, habe die durchgeführte Beweisaufnahme nicht bestätigt. Es bleibe daher bei dem gesetzlichen Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen gegen den Schulträger; alle sonstigen Unfallfolgen seien über die Sozialversicherung zu regulieren.
Am 28.09.2012 war es im Chemie-Unterricht einer sechsten Klasse einer Schule zur Entzündung einer Flasche mit Brennspiritus gekommen. Die Klasse hatte unter Aufsicht einer Lehrerin verschiedene Versuche zum Thema "Verbrennung" durchgeführt, bei denen Spiritus in kleinen Versuchsschälchen entzündet wurde. Als die Lehrkraft ein vermeintlich leeres Porzellanschälchen aus einer Spiritus-Flasche nachfüllen wollte, soll sich der Spiritus in der Flasche entzündet haben und soll die Flasche mit einer Stichflamme durch den Raum geflogen sein. Dabei soll ein Schüler Verbrennungen 2. Grades im Gesicht und am Oberkörper erlitten haben.
Dieser Schüler verlangt nunmehr die Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld. Das beklagte Land als Schulträger hält die Klage für unbegründet. Die Haftung für derartige Unfälle im Schulbetrieb sei in speziellen Vorschriften des Sozialgesetzbuches geregelt, nach denen der Schüler Schadensersatz erhalten könne. Die Zahlung eines zusätzlichen Schmerzensgeldes sei nach diesen Vorschriften aber grundsätzlich ausgeschlossen und komme nur dann in Betracht, wenn der streitgegenständliche Unfall vorsätzlich (und nicht bloß fahrlässig) herbeigeführt worden wäre. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Das LG Osnabrück hat die Klage nach insgesamt drei Terminen zur Beweisaufnahme, in denen insbesondere die Lehrerin und die beteiligten Schüler zum Ablauf des Unfalls befragt wurden, abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts ist für die Folgen eines solchen Schulunfalls nach den sozialrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur die zuständige Unfallversicherung eintrittspflichtig, womit eine gesetzlich angeordnete Haftungsprivilegierung des Schulträgers verbunden sei. Mithin seien weitergehende Ansprüche wie Schmerzensgeldansprüche bei einer lediglich fahrlässigen Handlungsweise gesetzlich ausgeschlossen. Dass der Lehrerin im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Handlungsweise anzulasten sei, habe die durchgeführte Beweisaufnahme nicht bestätigt. Es bleibe daher bei dem gesetzlichen Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen gegen den Schulträger; alle sonstigen Unfallfolgen seien über die Sozialversicherung zu regulieren.
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Donnerstag, 8. Januar 2015
Keine Erwerbsminderungsrente nach Unfallfahrt ohne Fahrerlaubnis
Ein Mann ohne Führerschein und mit 1,39 Promille verursacht einen
Verkehrsunfall und wurde aufgrund der Verletzungen voll
erwerbsgemindert. Das Amtsgericht verurteilte den 29-jährigen Mann wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und
vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von
fünf Monaten auf Bewährung.
Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab, weil er sich grob selbstgefährdend verhalten habe. Er habe alkoholisiert und ohne Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug geführt und sich damit eigenmächtig über anerkannte Grundprinzipien der Versichertengemeinschaft hinweggesetzt. Wer bewusst gegen Strafgesetze verstoße, die den Eintritt eines Schadensereignisses verhindern sollen, könne keine Versicherungsleistungen beanspruchen.
Das LSG Darmstadt hat, wie auch die Vorinstanz, der Rentenversicherung Recht gegeben.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann die Rente versagt werden, wenn die Erwerbsminderung infolge der Ausübung einer strafbaren Handlung eingetreten ist. Voraussetzung sei eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung für ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen. Der Versicherte sei wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Der bei dieser Tat eingetretene Unfall habe zur Erwerbsminderung geführt. Der Mann sei auch nicht nur "bei Gelegenheit" dieses Vergehens aufgrund eines fremdverschuldeten Verkehrsunfalls ohne eigenes Zutun verletzt worden. Vielmehr, so betonten die Richter, habe sich genau jene Gefahr realisiert, wegen derer der Versicherte zuvor durch den – bereits wiederholten – Entzug der Fahrerlaubnis "aus dem Verkehr gezogen" werden sollte.
Ob bei strafbaren Handlungen die Rente zu versagen sei, hänge von der Abwägung der Gesamtumstände ab. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Sozialversicherungsrecht einerseits keine strafrechtliche Funktion habe, andererseits strafbares Verhalten aber auch nicht leistungsrechtlich "belohnt" werden solle. Neben der Schwere der Tat seien zudem Tathergang und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten zu beachten. Dies habe die Rentenversicherung bei ihrer Ermessensentscheidung zutreffend berücksichtigt.
Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab, weil er sich grob selbstgefährdend verhalten habe. Er habe alkoholisiert und ohne Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug geführt und sich damit eigenmächtig über anerkannte Grundprinzipien der Versichertengemeinschaft hinweggesetzt. Wer bewusst gegen Strafgesetze verstoße, die den Eintritt eines Schadensereignisses verhindern sollen, könne keine Versicherungsleistungen beanspruchen.
Das LSG Darmstadt hat, wie auch die Vorinstanz, der Rentenversicherung Recht gegeben.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann die Rente versagt werden, wenn die Erwerbsminderung infolge der Ausübung einer strafbaren Handlung eingetreten ist. Voraussetzung sei eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung für ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen. Der Versicherte sei wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Der bei dieser Tat eingetretene Unfall habe zur Erwerbsminderung geführt. Der Mann sei auch nicht nur "bei Gelegenheit" dieses Vergehens aufgrund eines fremdverschuldeten Verkehrsunfalls ohne eigenes Zutun verletzt worden. Vielmehr, so betonten die Richter, habe sich genau jene Gefahr realisiert, wegen derer der Versicherte zuvor durch den – bereits wiederholten – Entzug der Fahrerlaubnis "aus dem Verkehr gezogen" werden sollte.
Ob bei strafbaren Handlungen die Rente zu versagen sei, hänge von der Abwägung der Gesamtumstände ab. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Sozialversicherungsrecht einerseits keine strafrechtliche Funktion habe, andererseits strafbares Verhalten aber auch nicht leistungsrechtlich "belohnt" werden solle. Neben der Schwere der Tat seien zudem Tathergang und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten zu beachten. Dies habe die Rentenversicherung bei ihrer Ermessensentscheidung zutreffend berücksichtigt.
Dienstag, 25. November 2014
Keine Haftung junger Volljähriger nach pflichtwidrigem Verhalten ihrer Eltern beim SGB II-Bezug
Das BSG (B 4 AS 12/14 R) hat entschieden, dass ein junger Volljähriger SGB
II-Leistungen, die er als Minderjähriger zu Unrecht erhalten hat, nur bis zur
Höhe des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens erstatten muss,
wenn die Voraussetzungen des § 1629a BGB für eine beschränkte Haftung von
Minderjährigen vorliegen.
In dem entschiedenen Fall lebte der zunächst noch
minderjährige Kläger in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Stiefvater,
seiner Mutter und seiner Halbschwester. Alle bezogen laufende Leistungen nach
dem SGB II, die jeweils der Stiefvater des Klägers beantragt hatte. Da der
Stiefvater angegeben hatte, dass der Kläger Schüler sei, berücksichtigte das
Jobcenter nur das Kindergeld als Einkommen. Das Jobcenter erfuhr erst im
Nachhinein durch einen Datenabgleich, dass er die Schule beendet hatte, und
inzwischen als Teilnehmer an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme des
Arbeitsamts eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhielt. Daraufhin
berechnete es die Leistungen für die Vergangenheit neu und forderte den
inzwischen volljährigen Kläger auf, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen (rund
500 Euro) zu erstatten.
Das LSG Halle hatte entschieden, dass der Kläger die
während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen (rund 500 Euro) nicht
erstatten muss.
Das BSG hat die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts
bestätigt.
Nach Auffassung des BSG ist die Regelung des § 1629a BGB
entsprechend für Ansprüche auf Erstattung von SGB II-Leistungen anzuwenden, die
an einen Minderjährigen erbracht wurden. Entscheidend sei, dass die Forderung
während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen betrifft und durch eine
pflichtwidrige Handlung des gesetzlichen Vertreters begründet wurde. Beide
Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Mutter des Klägers habe es trotz
entsprechender Information durch den Kläger versäumt, das Jobcenter über die
Zahlung der Berufsausbildungsbeihilfe zu informieren. Hierzu wäre sie als seine
gesetzliche Vertreterin jedoch verpflichtet gewesen. Hätte sie das Jobcenter
informiert, hätte dieses die Leistungen umgehend anpassen können, so dass es
nicht zu einer Überzahlung gekommen wäre. Unerheblich sei es, dass das
Jobcenter den Erstattungsbescheid erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit des
Klägers erließ. Andernfalls könnte es allein durch Abwarten erreichen, dass ein
junger Volljähriger die von ihm während seiner Minderjährigkeit bezogenen
Leistungen entgegen § 1629a BGB erstatten müsste. Die entsprechende Anwendung
des § 1629a BGB begünstige auch keine unberechtigte Inanspruchnahme von
Sozialleistungen, weil das Jobcenter den handelnden Vertreter zumindest seit
dem 01.04.2011 über § 34a SGB II n.F. auf Erstattung in Anspruch nehmen kann.
Das Paradies findet sich auch nicht auf dem Nachbargrundstück
Äpfel sind köstlich und verlockend. Nicht nur die Bibel weiß gleich
zu Anfang hiervon zu berichten. Verlockend waren für einen Unternehmer
auch die Äpfel auf einem Nachbargrundstück - mit fast ebenso
gravierenden Folgen wie ein Rauswurf aus dem Paradies.
Ein 61-jähriger Geschäftsführer eines zwischen Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim gelegenen mittelständischen Unternehmens versucht die zwischen abgezäuntem Firmengelände und angrenzender Straße auf einem - im Eigentum des Hohenlohekreises befindlichen - Grünstreifen Apfelbäume mit einer Hakenstange abzuernten.
Dabei zog er sich einen Bänderriss in der Schulter zu, wurde anschließend operiert und leidet noch heute unter Beschwerden.
Seine Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil Äpfelschütteln keine unfallversicherte Beschäftigung gewesen sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Geschäftsführer geltend, der Hohenlohekreis habe sich nie um die Pflege des Grünstreifens gekümmert. Damit das Betriebsgelände einen ordentlichen Eindruck mache, hätten seine Mitarbeiter regelmäßig die Wiese gemäht und er selbst die Äpfel abgeerntet (sowie anschließend verkauft).
Das SG Heilbronn hat dennoch die Entscheidung der Berufsgenossenschaft bestätigt.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat das Äpfelschütteln nicht der Pflege des äußeren Erscheinungsbildes des Grünstreifens gedient und demnach auch nicht der Außenwahrnehmung des Betriebsgeländes. Denn ein angrenzendes gemähtes Grundstück werde von Firmenkunden auch dann als gepflegt wahrgenommen, wenn Äpfel auf der Wiese lägen. Dass die geernteten Äpfel privat verkauft wurden, unterstreiche, dass die Apfelernte der unversicherten Freizeit des Geschäftsführers zuzuordnen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Ein 61-jähriger Geschäftsführer eines zwischen Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim gelegenen mittelständischen Unternehmens versucht die zwischen abgezäuntem Firmengelände und angrenzender Straße auf einem - im Eigentum des Hohenlohekreises befindlichen - Grünstreifen Apfelbäume mit einer Hakenstange abzuernten.
Dabei zog er sich einen Bänderriss in der Schulter zu, wurde anschließend operiert und leidet noch heute unter Beschwerden.
Seine Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil Äpfelschütteln keine unfallversicherte Beschäftigung gewesen sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Geschäftsführer geltend, der Hohenlohekreis habe sich nie um die Pflege des Grünstreifens gekümmert. Damit das Betriebsgelände einen ordentlichen Eindruck mache, hätten seine Mitarbeiter regelmäßig die Wiese gemäht und er selbst die Äpfel abgeerntet (sowie anschließend verkauft).
Das SG Heilbronn hat dennoch die Entscheidung der Berufsgenossenschaft bestätigt.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat das Äpfelschütteln nicht der Pflege des äußeren Erscheinungsbildes des Grünstreifens gedient und demnach auch nicht der Außenwahrnehmung des Betriebsgeländes. Denn ein angrenzendes gemähtes Grundstück werde von Firmenkunden auch dann als gepflegt wahrgenommen, wenn Äpfel auf der Wiese lägen. Dass die geernteten Äpfel privat verkauft wurden, unterstreiche, dass die Apfelernte der unversicherten Freizeit des Geschäftsführers zuzuordnen sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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