Ein Verwaltungsfachangestellter aus Nordhessen leidet an einer an
Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Nach einer entsprechenden Testphase
empfahl ihm der Hörgeräteakustiker ein Hörgerät für rund 4.900 Euro,
mit welchem er sogar Telefongespräche führen kann, und zeigte dies der
Krankenkasse an.
Diese teilte dem 51-jährigen Mann mit, dass sie den
Festbetrag von rund 1.200 Euro übernehme. Der Hörgeschädigte erwarb das
teure Hörgerät. Seinen Antrag auf Erstattung des Differenzbetrages von
ca. 3.700 Euro lehnte die Krankenkasse ab.
Das Sozialgericht hatte
die Klage des Mannes mit der Begründung abgewiesen, dass dieser bereits
vor der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse das Hörgerät erworben
und damit den vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Das LSG Darmstadt (L 8 KR 352/11) hingegen hat die Krankenkasse zur Erstattung der rund 3.700 Euro verurteilt. Nach Auffassung des Landessozialgerichts dient die Versorgung mit
Hörgeräten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Insoweit gelte das
Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits. Die
gesetzliche Krankenkasse könne sich nur dann auf eine
Festbetragsregelung berufen, wenn diese eine sachgerechte Versorgung des
Versicherten ermögliche. Andernfalls müsse sie die kompletten Kosten
für das erforderliche Hörgerät tragen.
Die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers beinhalte einen
Leistungsantrag auf bestmögliche Versorgung mit einem Hörgerät. Gewähre
die Krankenkasse hierauf den Festbetrag, so lehne sie damit inzident die
Kostenübernahme für eine höherwertige Hörgeräteversorgung ab. Da die
Krankenkasse den Antrag habe prüfen können, sei auch der Beschaffungsweg
eingehalten, wenn der Versicherte das Hörgerät kaufe, bevor die
Krankenkasse die Kostenübernahme des Differenzbetrages ausdrücklich
abgelehnt habe.
Zudem böten die Krankenkassen wie auch die
Rentenversicherungsträger den hörgeschädigten Versicherten keinen Zugang
zu unabhängigen Beratungs- und Begutachtungsstellen. Damit erhielten
die Versicherten keine von Gewinnerwartungen unabhängige Untersuchung
und Anpassung der in Betracht kommenden Hörgeräte. Diese Aufgabe würden
sie vielmehr an die Hörgeräteakustiker "outsourcen". Daher gehe es zu
Lasten der Krankenkasse, wenn sich im Gerichtsverfahren nicht mehr
klären lasse, ob auch ein günstigeres Hörgerät einen möglichst
weitgehenden Ausgleich der Funktionsdefizite erzielt hätte. Die
Krankenkasse könne sich ferner nicht darauf berufen, dass der
Hörgeräteakustiker zu einer eigenanteilsfreien Versorgung verpflichtet
sei. Diese vertragliche Verpflichtung betreffe nur das
Vertragsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer und habe
keine Auswirkungen auf den Hilfsmittelanspruch des Versicherten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen