Donnerstag, 29. März 2012

Gesetzlicher Unfallschutz auf Autobahn bei Unfall

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII sind kraft Gesetzes Personen gesetzlich unfallversichert, die bei einer gemeinen Gefahr Hilfe leisten. Eine gemeine Gefahr bestehe, wenn eine ungewöhnliche Gefahrenlage vorliegt, bei der ohne sofortiges Eingreifen eine erhebliche Schädigung von Personen oder bedeutenden Sachwerten unmittelbar droht.

Hierum stritt sich ein Unfallopfer mit der Berufsgenossenschaft.

Das spätere Unfallopfer war mit seinem PKW auf der Autobahn unterwegs, als er ein auf der Fahrbahn liegendes Kurbelstützrad eines Anhängers bemerkte. Er hielt sein Fahrzeug auf dem Standstreifen an und erntfernte das Stützrad von der Fahrbahn.

Dann sah er, dass eine Führungshülse des Stützrades - ein 30 cm langes Metallrohr - neben der Mittelleitplanke lag und bis an den Rand der Überholspur ragte. Auch dieses wollte er entfernen. Hierbei wurde er auf der Fahrbahn von einem VW-Bus frontal erfasst und erlitt schwerste Verletzungen.

Die Berufsgenossenschaft und das Sozialgericht lehnte die Feststellung als Arbeitsunfall ab, denn es sei nicht nachgewiesen, dass das Unfallopfer mit der Absicht auf die Fahrbahn zurückgekehrt sei, die Führungshülse von der Autobahn zu entfernen. Zudem habe die Führungshülse keine Gefahr darstellt. Sie habe außerhalb des Fahrstreifens gelegen. Anders sahen das Landessozialgericht und das Bundessozialgericht (Az.: B 2 U 7/11 R) .

Durch die Metallhülse habe eine Gefahrensituation im Sinne des Gesetzes für die Straßenverkehrsteilnehmer aufgrund der Lage des Metallrohres bestanden. Es entspreche einer allgemeinen und gerichtsbekannten Lebenserfahrung, dass Verkehrsteilnehmer ihr Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit aus Unachtsamkeit oder verkehrsbedingt über die Fahrstreifenbegrenzung hinaus auf den Randstreifen steuern und die Führungshülse durch Witterungseinflüsse auf die Fahrbahn geraten kann. Damit waren vorwiegend Motorrad- aber auch Autofahrer in erhöhtem Maße gefährdet. Das Unfallopfer habe bei dieser Gefahrensituation Hilfe geleistet. Die Hilfeleistung beschränke sich nicht auf den unmittelbaren Vorgang der Beseitigung der Gefahr, sondern beginne mit dem Eintritt in den Gefahrenbereich durch das Betreten der Fahrbahn. Die versicherte Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII sei ferner nicht auf Hilfeleistungen begrenzt, deren Unterlassen nach § 323c StGB unter Strafe steht. Auch das nicht nach § 323c StGB gebotene Hilfeleisten stehe grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Montag, 19. März 2012

Pflegezeit - auch Fahrtzeiten können berücksichtigt werden

Das LSG Mainz (Az: L 5 P 29/11) hat entschieden, dass die Zeit, die ein in der sozialen Pflegeversicherung Versicherter benötigt, um zu seiner Arztpraxis zu kommen, bei der Ermittlung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen ist, wenn der Versicherte Hilfe durch eine Begleitperson für den Weg vom Auto zur Praxis benötigt.

Die Pflegeperson bedurfte aufgrund ihrer Erkrankungen wegen einer bestehenden Sturzgefahr der pflegerischen Hilfe ihres Ehemannes, um vom Fahrzeug zur Arztpraxis zu kommen. Während der Fahrt zur Praxis brauchte sie keine Betreuung.

Das LSG Mainz hat entschieden, dass diese Zeit, bei der ihr Ehemann Fahrer des Transportfahrzeugs war, als Pflegezeit zu berücksichtigen ist.

Einer Aufteilung der Zeiten stehe entgegen, dass für die Begleitung vom Fahrzeug zur Praxis regelmäßig nur der Fahrer zur Verfügung steht. Damit sei in diesen Fällen wie bei Wartezeiten beim Arztbesuch, bei denen ebenfalls kein tatsächlicher Betreuungsaufwand besteht und für die das bereits höchstrichterlich entschieden ist (Bundessozialgericht, Urt. v. 06.08.1998 - B 3 P 17/97 R), ein Pflegebedarf anzunehmen. Die Pflegeperson musste deshalb durch die Pflegekasse in die Pflegestufe I eingestuft werden.

Donnerstag, 15. März 2012

Freibeträge auf Kurzarbeitergeld

Viele Unternehmen zahlten in den letrten Jahren ihren Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld aus. Handelte es sich bei den Arbeitnehmern um sogenannte "Aufstocker" (der Lohn reicht nicht zur Deckung des Lebensbedarfs, so dass zusätlich SGB II - Leistungen bezogen werden) stellte sich die Frage, ob das empfangene Kurzarbeitergeld um die Freibeträge auf Einkommen zu kürzen ist oder nicht. Das Jobcenter rechnete das Kurzarbeitergeld voll als Einkommen an. Der betroffene Arbeitnehmer machte hingegen geltend, dass vom Kurzarbeitergeld die Freibeträge abzuziehen seien.

Das Bundessozialgericht (Az.: B 14 AS 18/11 R) gab dem "Aufstocker" recht. Voraussetzung für einen Freibetrag ist ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Der Freibetrag soll ein Anreiz für die Aufnahme oder zur Aufrechterhaltung von bereits bestehender Erwerbstätigkeit sein. Die Funktion von Kurzarbeitergeld geht in dieselbe Richtung: Trotz Arbeitsausfalls und eines damit einhergehenden Entgeltverlustes soll das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten bleiben (vgl § § 169 ff SGB III).

Dienstag, 13. März 2012

Ein Schreibtisch für die Kleinsten - Jobcenter muss zahlen

Ein sechsjähriges Kind lebte zusammen mit seiner studierenden Mutter, dem 10-jährigen Bruder und der neugeborenen Schwester in einer Dreizimmerwohnung. Im Zusammenhang mit der Einschulung beantragte das Kind 2008 unter anderem Leistungen für die Anschaffung eines Schülerschreibtisches. Den Schreibtisch im Zimmer ihrer Mutter könne sie nicht benutzen, da diese selbst studiere und dort auch die kleine Schwester schlafe. Der – selbst gebaute – Schreibtisch im Zimmer des Bruders komme nicht in Betracht, da er ihn selbst brauche und oft Freunde zu Besuch habe. In der kleinen Küche fehle die erforderliche Ruhe.

Das zuständige Jobcenter lehnte die Kostenübernahme ab. Der jungen Schülerin sei es zuzumuten, einen der vorhandenen Schreibtische zu benutzen. Daraufhin kaufte sich die Schülerin aus eigenen Mitteln einen Schreibtisch für 120 Euro und erhob Klage vor dem Sozialgericht.

Das SG Berlin (Az.:S 174 AS 28285/11 WA) hat der Klage stattgegeben und das Jobcenter zur Kostenerstattung in Höhe von 70 Euro verurteilt.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist die erstmalige Anschaffung eines Schülerschreibtisches eine "Erstausstattung für die Wohnung", für die das Jobcenter die Kosten zu erstatten habe. Wie bereits das Bundessozialgericht ausgeführt habe, fielen unter den Begriff der Erstausstattung sämtliche Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig seien und dem Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichten.

Jedenfalls in der konkreten Situation habe ein entsprechender Bedarf für das klagende Kind bestanden. Ein eigener Schreibtisch sei notwendig, um ihr die Erledigung ihrer Hausaufgaben in einer Atmosphäre zu ermöglichen, die einen Lernerfolg vermuten lasse. Dadurch werde letztendlich auch der Gefahr begegnet, dass der Steuerzahler später durch weitere Leistungen für Bildung und Teilhabe mit Kosten belastet werde, die weitaus höher seien als die umstrittene Kostenerstattung.

Eine Internetrecherche des Sozialgerichts habe allerdings ergeben, dass gebrauchte Kinderschreibtische nur rund 70 Euro kosteten. Auf diesen Betrag sei die Erstattungsforderung daher zu beschränken gewesen.