Freitag, 25. Februar 2011

Fernsehgerät gehört nicht zur Erstausstattung einer Wohnung

Der Kläger begehrt von dem beklagten Landkreis Göttingen Leistungen für ein Fernsehgerät im Rah­men der Erstausstattung einer Wohnung. Die Gewährung von Leistungen für ein Fernsehgerät lehnte der Landkreis ab. Die hiergegen gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.

Das Bundessozialgericht hat die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der beklagte Grundsicherungsträger war nicht verpflichtet, als Erstausstattung für die Wohnung auch Leistungen für ein Fernsehgerät zu erbringen. Zur Erstausstattung einer Wohnung gehören nur wohnraumbezogene Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind. Hierzu zählt ein Fernsehgerät nicht. Es ist weder ein Einrichtungsgegenstand noch ein Haushaltsgerät.

Die auf die Wohnung bezogenen Leistungen des SGB II dienen, insbesondere mit der
Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU), dem Zweck, dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen, das die grundlegenden Bedürfnisse Aufenthalt, Schlafen und Essen sicherstellt. Fehlen dem Hilfebedürftigen bei Gründung eines eigenen Hausstan­des die hierfür erforderlichen Gegenstände, so sind hierfür gesondert neben der pauschalierten Re­gelleistung Leistungen zu erbringen. Aus der Tatsache, dass "Fernsehen" ein elementarer Bestandteil der herrschenden Lebensgewohnheiten ist und etwa 95 % der Bevölkerung mit Möglichkeiten zum Empfang von Fernsehprogrammen ausgestattet sind, folgt nichts anderes. Die Sicherstellung von Freizeit-, Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen, der das Fernsehen dient, soll grundsätzlich aus der Regelleistung erfolgen. Insoweit erforderliche Konsumgegenstände, die wie das Fernsehgerät entsprechend verbreitet sind, aber nicht zur Erstausstattung einer Wohnung zählen, können ‑ im Ge­gensatz zum Rechtszustand unter dem Bundessozialhilfegesetz ‑ nur noch darlehensweise erbracht werden (vgl § 23 Abs 1 SGB II).

Arbeitsunfall Amokfahrt

Die in Neukölln wohnende Frau war Eigentümerin eines Blumenstandes. Während die Frau vor dem Klinikum Neukölln Blumen verkaufte, raste ihr Exmann mit einem gemieteten Kleintransporter in ihren Stand. Die Frau wurde lebensgefährlich verletzt. Wenige Stunden zuvor hatte der Exmann versucht, seine aktuelle Partnerin zu erstechen. Später brachte er sich um. Da die Frau auf Ihrem Arbeitsplatz verletzt wurde begehrte sie die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Die Berufgsgenossenschaft lehnte ab mit Verweis darauf, dass es sich um einen rein privaten Konflikt gehandelt hat. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Frau und dem Vorfall habe nicht bestanden.

Die Frau klagte gegen den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft vor dem SG Berlin. Dieses entschied zu ihren Gunsten (Urteil vom 22. Februar 2011 (S 25 U 406/10). Begründet wurde dies damit, dass nicht aufklärbar war, ob tatsächlich rein persönliche Gründe zu dem Unfall führten oder dies im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit der Blumenhändlerin stand. Die Vermutung spricht für einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

In der Pressemitteilung werden die Urteilsgründe wie folgt zusammengefasst.

Wer am Arbeitsplatz verletzt wird, steht grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend für die Frage, ob auch ein Angriff (z. B. Überfall oder – wie hier – Amokfahrt) als Arbeitsunfall anzusehen ist, ist das Motiv des Angreifers. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entfällt nur dann, wenn die Beweggründe ausschließlich dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Hierfür trifft den Unfallversicherungsträger die Beweislast.

Bleiben die genauen Motive einer Gewalttat am Arbeitsplatz im Dunkeln, hat das Opfer Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Im vorliegenden Fall gibt es sowohl Anhaltspunkte für eine Beziehungstat als auch für ein berufsbezogenes Motiv des Täters. Es ist denkbar, dass der Täter, der früher selbst einen Blumenstand betrieben hatte, aus Neid auf den beruflichen Erfolg der Klägerin gehandelt hat. Möglicherweise kam es ihm besonders darauf an, zusammen mit dem Blumenstand die wirtschaftliche Existenz der Klägerin zu zerstören. Hierfür spricht unter anderem, dass aufgrund der Rundumverglasung des Blumenstandes mit Plexiglas von außen gar nicht genau erkennbar gewesen war, dass sich die Klägerin im Innern des Standes aufgehalten hatte.

Da der Täter sich während der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte, schied seine Befragung aus. Vor der Polizei hatte er zu seinen Motiven geschwiegen. Auch der vom Gericht als Zeuge gehörte Lebensgefährte der Klägerin machte zum Tathintergrund keine Aussagen.

Das Urteil kann von der Berufsgenossenschaft noch mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Montag, 21. Februar 2011

Hoppe, hoppe, Reiter ...

... ist ein bekannter Kinderspruch. Doch das LSG Niedersachsen - Bremen musste einen tragischen Fall verhandeln.

Drei Freunde wollten ausreiten zu einer Gaststätte. Da ein Pferd erkrankt war, überließ ein Viehhändler der illustren Gruppe ein anderes Pferd.

Nach der Löschung des Durstes fiel der Kläger auf dem Rückweg vom Pferd und war hiernach querschnittsgelähmt. Aufgrund des Unfalls begehrte er nun die Feststellung, dass es ein Arbeitsunfall gewesen sei. Folge dessen wäre, dass er eine intensivere und umfangreichere Behandlung und Rehabilitation erfahren würde und gegebenenfalls eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen könnte.

Die zuständige Berufsgenossenschaft vertrat die Auffassung, dass kein Arbeitsunfall vorgelegen habe, da der Kläger kein Arbeitnehmer war und auch nicht als solcher tätig wurde.

Nach Vernehmung von Zeugen kam auch das LSG Niedersachsen - Bremen am 25. Januar 2011 (Az.: L 9 U 267/06) zu diesem Ergebnis.

Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er vom Viehhändler beauftragt wurde, das gestellte Pferd zuzureiten. Vielmehr sei dieses ihm bloss überlassen wurden für den schon länger geplanten Ausflug mit seinen Freunden. Deshalb stehen ihm gegenüber der Berufsgenossenschaft keine Ansprüche zu.

Dienstag, 15. Februar 2011

Kein Anspruch auf Zustimmung zur Kostenübernahme vor Umzug im Eilverfahren

Nach einer Entscheidung des LSG NRW (Beschluss vom 17.01.2011 – L 6 AS 1914/10 B ER) können Empfänger von Leistungen der Grundsicherung („Hartz-IV“ oder ALG II) einen Anspruch auf Zusicherung der Kostenübernahme für eine neue Wohnung vor einem Umzug nicht per Eilbeschluss gegen die zuständige Behörde durchsetzen.

Nach Ansicht des Gerichtes könnten die Antragsteller ja umziehen und doe Kostenüberahme auch später im Hauptverfahren durchsetzen. Das damit verbundene Risiko und die Zeit (oft mehrere Monate) ohne volle Kostenübernahme, werden wohl dazu führen, dass ein Umzug sorgfältiger vorbereitet werden muss.

Berufsunfähigkeitsrente nur für Facharbeiter

Ein früherer Korrosionsschutzarbeiter hat ohne Erfolg eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung eingeklagt. Nach Auffassung der Richter des LSG Sachsen Anhalt (Urteil v. 27.05.2010 - L 3 R 510/06) habe der Kläger ohne Facharbeiterausbildung keinen entsprechenden Berufsschutz. Er sei zwar langjährig vollwertig in Teilbereichen des Facharbeiterberufs Maler und Lackierer tätig gewesen, habe jedoch nicht über alle Kenntnisse dieses Berufs verfügt. Deshalb könne er nur als oberer Angelernter eingestuft werden und sei auf eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte verweisbar, die in Deutschland noch existiere. Ein bestimmter Arbeitsplatz müsse ihm nicht angeboten werden.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Elterngeld richtig berechnen

Die Frage, wie Elterngeld richtig berechnet wird und welches Geld überhaupt in die Berechnung einzubeziehen ist, ist nicht immer einfach zu beantworten.

Das Bundessozialgericht hilft ein wenig weiter mit seiner Entscheidung vom 30.09.2010 (B 10 EG 19/09 R). Hiernach ist für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.

Hintergrund der Entscheidung war, dass einer Arbeitnehmerin zu wenig Geld abgerechnet und ausbezahlt wurde. Sie klagte auf den vertragsgemäßen Lohn. Bei Beantragung des Elterngeldes für die Elternzeit konnte die Arbeitnehmerin jedoch nur die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Vergütungsabrechnungen vorlegen (das Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht war noch nicht beendet).

Elterngeld wurde nun auf Basis der - unzutreffenden - Abrechnungen über die tatsächlich gezahlte Vergütung berechnet und bewilligt, obwohl die Arbeitnehmerin darauf hinwies, dass ihr mehr Vergütung zustehe und diese eingeklagt wird.

Das BSG gab ihr letztlich Recht. Die wesentlichen Passagen aus dem Urteil lauten:

"Dazu bestimmt § 2 Abs 7 Satz 4 BEEG, dass Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind. Diese Regelung soll lediglich der Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung dienen, sie begründet jedoch keine rechtliche Bindung an die Feststellungen des Arbeitgebers. ... Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene, sondern auch das darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. ... "

Freitag, 4. Februar 2011

keine sinnvolle Versicherung

ist eine Haftpflichtversicherung für Kinder bei Langzeiterwerbslosen. Das Jobcenter muss die Kosten nicht tragen im Rahmen eines Abzuges einer Versicherungspauschale. Dies meint das SG Chemnitz (Pressemitteilung vom 03.01.2011).

Damit dürfte das Geschäft windiger Versicherungsverkäufer schwieriger geworden sein.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Falschberatung der Agentur für Arbeit führt zu längerer Bezugsdauer

Eine noch nicht ganz 58 Jahre alte Arbeitnehmerin verlor Ihren Job und meldete sich Arbeitslos. Zwei Monate später vollendete sie Ihr 58. Lebensjahr.

Die Agentur für Arbeit gewährte dem Gesetz nach 18 Monate Arbeitslosengeld. Da die Arbeitslose damit nicht zufrieden war und 24 Monate Leistungen erhalten wollte klagte sie - erfolgreich!

Das Sozialgericht Chemnitz (Urteil vom 20.1.2011 – S 6 AL 986/09) führte aus, dass die Agentur die Klägerin auf die Möglichkeit hätte hinweisen müssen, den Beginn der Arbeitslosengeldzahlung zu verschieben. Weil dieser Hinweis nicht kam, kann die Arbeitslose aufgrund des sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs nun 24 Monate Arbeitslosengeld beziehen.